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Karisik Alma

Nebelmeer



Sie war grau und hatte braune Flecken. Dunkel an der oberen Schicht, hell an der unteren. In der Mitte flogen Raben über Steine, die in einem grauen Meer aus Beton zu ersticken schienen.

Seine Mutter lag im anderen Zimmer. Seine Schwester im Bad in der Wanne. Sein Vater und sein kleiner Bruder im Keller, sein großer Bruder im Garten.

Die Wand war ein Zugang zu seinem Ich.

Die weiße Wolke, die sich vor seinen Augen bildete als er ausatmete, war verdunsteter Rauch in den Nebelschwaden. Die Sonnenstrahlen Funken, die ihn verbrannten. Die Luft wie eine Presse, stetig drückend. Von allen Seiten.

Die Raben, sie flogen von einem Stein zum anderen. Der Himmel verdunkelte sich. Die Steine bewegten sich. Wann würden sie ihn aufsuchen? Wann mitnehmen?

Seine Mutter hatte ihn eingesperrt. Sein Herz verkrampfte sich, das durchsichtige Blut quoll aus seinen Augen heraus und übergoss seine kalten Wangen.

Sie hatte seinen Schrei ignoriert.

Was sie wohl von ihm gedacht hatte? Oder seine Brüder, seine Schwester? Sein Vater hatte ihn nicht angesehen. Die Nachbarn hatten ihn gehört, aber sie wussten es.

Seine Mutter hatte ihn ans Bett gefesselt, als er klein war, nicht jetzt. Jetzt war er zu groß und kräftig, größer und kräftiger als sie. Sie hätte ihn nicht anrühren können ohne selbst Schaden davon zu nehmen. Und zwar nicht die Kratz- und Bissspuren, die er ihr früher verpasst hatte.

 

Die Raben bewegten sich, er hörte sie bereits. Krächzend, seine Ohren sprangen über. Sie umkreisten ihn, wie die Steine, die sich um seinen Körper zwangen.

Er hatte getan, wofür er ein Leben lang da war. Er hatte es gemusst, die Raben hatten es ihm in die Ohre geschrien. Die Steine taten was sie immer taten. Sie zwangen ihn zu Boden.

Wie der letzte Schrei war, von seiner Mutter? Von seinen Brüdern und seiner Schwester. Seinem Vater. Er hatte sie gefesselt. Gläser in die grässlichen Mäuler gestopft. Sein Herz, es hatte sich selbstständig gemacht. Seine Schwester hatte gewinselt, seine Brüder geweint, sein Vater gebetet, und seine Mutter? Sie hatte es gewusst.

 

Der letzte Atemzug galt den Raben. Sie drückten ihre Ranken in sein Fleisch, ihre gefräßigen Schnäbel weit aufgerissen. Die Steine drückten ihn unter den Boden.

Er sagte nichts.

 

Er dankte.




Envoyé: 13:04 Mon, 30 March 2015 par: Karisik Alma