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Vaz Dinis Beatriz Laura

Warum bin ich anders?

                                                                                                                                                         

Ich bin heute hier, um mit Ihnen über ein Tabuthema zu sprechen, weil ich endlich eine Antwort auf all die Fragen bekommen möchte, die ich mir jeden Tag stellen muss.

Warum bin ich anders?

Wir leben in einem freien Land. Und vielleicht sollten wir kurz darüber nachdenken, über das Glück, das wir haben, frei zu leben, egal wo wir uns befinden. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe, zu lernen, dass es nichts mehr gibt, das mich davon aufhält, das zu tun, was ich möchte. Dass ich überall auf der Welt studieren kann und das Recht auf Schutz habe. Es ist eine Chance, die wir in der Vergangenheit nie gehabt haben. Die Menschenwürde ist unantastbar, und es ist schön, dass wir es offiziell gemacht haben. Doch was auf dem Papier steht spiegelt meinen Alltag nicht wieder.

Warum bin ich anders? Ich habe eine andere Herkunft, ich bin nicht deutsch, ich bin nicht englisch, nicht luxemburgisch, nicht französisch. Ich habe eine dunkle Hautfarbe.

Warum werde ich als Neger bezeichnet?  Ich habe eine dunkle Hautfarbe, aber ich bin kein Neger. „Warum denn nicht? Du bist schwarz, „Neger“ bedeutet schwarz, dunkel. Das bist du doch?“, sagte man mir. Nein. Neger ist keine Farbe. Neger war eine ganze selbstkreierte Kultur, eine Kultur die uns zu der Zeit der Sklaverei zwangsweise zugewiesen wurde. Das Wilde, das Schmutzige, das Unmenschliche, die Dummheit des Menschen, die Kriminalität, die Inkompetenz, sich als Mensch weiterzubilden, Eigentum, Ausnutzung, etwas, was vertrieben werden muss. Ich wurde so bezeichnet, „weil es nichts Schlimmes ist, es steht ja im Duden“. Aber ich bin nicht wild, ich bin nicht schmutzig und ich muss nicht vertrieben werden und ich will es auch nicht. Ich will wirklich nicht wie etwas behandelt werden, das weg muss, und zwar so schnell wie möglich. Was nimmt mir das Recht, hier zu sein? Meine Hautfarbe? Das ist traurig, denn anscheinend werde ich immer vertrieben werden für etwas, was ich nicht ändern kann. Ich bin kein Neger. Heute stehe ich hier vor Ihnen und kann sagen, dass dieser Begriff noch immer zu meinem alltäglichen Leben gehört.

Warum bin ich anders?

Warum bin ich schwarz und Sie weiß? Schon als Kind wird uns beigebracht: „weiß  ist gut, schwarz nicht“, „weiß ist  rein, schwarz ist schmutzig“. Versuchen Sie das doch einem Kind zu erklären, das  fast täglich damit konfrontiert wird. Als ich ein kleines Kind war, im Kindergarten, sagte man mir, ich sei „schwarz“, weil ich mich nicht wasche. Dann wurde mir doch wirklich versucht beizubringen, dass das normal ist, dass ich so genannt werde. Weil ich halt wirklich „anders“ aussehe. Weil es halt wirklich eine ungewohnte Situation sein kann, wenn in der Klasse jemand „anders“ aussieht. Weil die Kinder halt noch jung und klein sind und noch nichts wissen. Aber wurde etwas dagegen unternommen? Gegen ihr „Noch - Nichts - wissen“? Nein. Es ist sogar noch schlimmer geworden. Entschuldigungen gibt es immer: Früher, weil sie noch klein waren, heute, weil sie in der Pubertät sind, und sich nach Aufmerksamkeit sehnen und cool sein wollen und noch unreif sind und weil es bloß ihre Art ist, mit Verlegenheit umzugehen.  Mittlerweile wissen sie es, aber ihnen ist es egal, denn es wurde zu einem Schimpfwort. Ein Schimpfwort, das eines ihrer größten Probleme schön zusammenfassen kann. Die anderen, die hier nichts zu suchen haben. Und ich denke manchmal wirklich, dass ich hier nichts zu suchen habe. Was soll ich hier, in einer Gesellschaft, die mich nicht annimmt? In einer Gesellschaft, für die ich weniger wert bin? Es ist traurig. Schon allein, weil Sie darauf bestehen, einen Menschen nach dem Äußerlichen zu bewerten. Weil sie darauf bestehen, mich für meinen Melaninanteil im Körper zu beschimpfen und mich zu etwas „anderes“ machen. Warum nutzen wir überhaupt diese Begriffe, die die Gegenteile, die Unterschiede, die doch gar nicht existieren, nicht besser beschreiben könnten?

Sie müssen verstehen, Rassismus ist für mich nicht ausschließlich das Problem mit der Hautfarbe. Rassismus ist auch das Beschuldigen meiner Herkunft, meiner Kultur, meines Landes für meine Lebensweise, meine Fehler, die Kriminalität, die Steuern, die Arbeitslosigkeit, für alles, was Ihnen nicht passt. „Sie kann kein Deutsch, sie ist schwarz.“ „Du wirst nie so gut Deutsch können, wie ein Deutscher, weil du keine Deutsche bist“, aber die Noten zeigen etwas anderes. Und wenn ich mich verteidige, heißt es „Unglaublich, du kannst so gut Deutsch, obwohl du Ausländerin bist“ oder „Du kannst nur so gut Französisch, weil du Portugiesin bist“, und ich verstehe den Zusammenhang noch heute nicht. Wie Sie sehen können, wird meine Herkunft zu einem Auslöser für Beschuldigungen und Komplimente. Ich habe es satt. Kann ich nicht einfach nur gut sein, weil ich es bin? Müssen Sie unbedingt versuchen, mir klarzumachen, dass meine Erfolge nichts wert sind, weil ich anscheinend nicht von allein so weit gekommen wäre?  

Ich kann keine Fehler machen, weil ich dann die Verantwortung dafür trage, dass alle, die so aussehen wie ich, dafür beschimpft werden. Und wenn ein anderer irgendwo auf der Welt eine Bank ausraubt, gewalttätig ist, verhungert – dann heißt es, ich würde es auch machen. Hört auf, mich zu verallgemeinern! Ich bin nichts, was man verallgemeinern kann!

Warum bin ich anders?

Warum muss ich als Verteidigung zeigen, wie stolz ich doch bin? Stolz auf meine Herkunft, auf mein Äußeres. Aber ich kann nicht stolz darauf sein, wenn es zu einem Verhängnis wird. Was soll aus meiner Karriere werden, wenn man bei meinen Bewerbungen zuerst auf mein Foto schaut? Ich habe Angst, dass man mich anschaut und mich schon aufgibt ohne überhaupt nachzudenken. Ich habe Angst, dass es so bleibt, wie es gerade ist. Ich werde mich nicht besser fühlen, wenn man mich um meine Kurven beneidet, wenn man dauernd an mir hängt, „Deine Haare… Kann ich mal anfassen?“  und die Hände sind schon an meinen Haare ehe ich mich überhaupt dazu äußern kann! Ich bin kein fremdes Objekt, das man begutachten und anfassen kann!

Das Ganze ist traurig, weil es für viel zu viele Leute Alltag ist, bei der Arbeit und in der Schule. „Alltagsrassismus“, das klingt so „normal“, dabei ist es das überhaupt nicht, nicht in der heutigen Welt. Es ist traurig, weil es das gar nicht geben sollte, in einem Land, wo jeder gebildet wird; das heißt, das Problem kann nur noch in uns stecken, wir behalten es in uns und geben es weiter an unsere Kinder, Freunde. Eine kleine Bemerkung reicht oder das Zusehen und Nichtstun, weil es mich halt nichts angeht oder weil es doch nur eine kleine Hänselei ist und weil es das doch überall auf der Welt gibt. Wo bleibt die Zivilcourage? Die Zivilcourage, die Sie verlangen, wenn Ihre Kinder in der Schule gehänselt werden. Meine Eltern verlangen das auch. Sie haben das alles auch miterlebt. Es tut ihnen genauso weh wie Ihnen, wenn ihre Kinder anders behandelt werden. Nur sind Sie alle nicht auf ihre Mitmenschen angewiesen. Rassismusopfer schon.  Es macht mich wütend, dass das so ist. Es macht mich wütend, weil ich immer alles gebe, um etwas zu verändern, was falsch ist und mein eigenes Problem nicht selber in die Hand nehmen kann. Es macht mich so wütend, weil ich dabei völlig ohnmächtig bin. Stellen Sie sich folgende Szene vor: Auf der Straße wird jemand rassistisch beleidigt. Wird natürlich von jedem gesehen, von jedem gehört, doch niemand hilft, niemand greift ein, aber das ist ja nichts Neues. Ich aber gehe hin, ich weiß nämlich, wie es sich anfühlt, von jedem gesehen und gleichzeitig ignoriert zu werden. Ich äußere mich, versuche, denjenigen zu verteidigen, aber glauben Sie, es würde irgendetwas verändern? Der Täter verschwindet vielleicht, es soll ja nicht peinlich werden. Aber glauben Sie, es hat irgendetwas in ihm bewegt? Er hat es heute getan und er wird es immer wieder tun, vielleicht nicht mit mir, aber mit jemand anderem. Ich, die selber auch ein Opfer ist, kann nichts ausrichten. Meine Argumente sind automatisch schwach, weil ich auch ein Opfer bin. Ich mache das ja nur, weil es mich auch betreffen könnte, beziehungsweise betrifft. „Du machst das doch nur, weil du selber schwarz bist!“, „Du bist ja nur so pingelig, weil du selber schwarz bist.“, würde man mir sagen. Und das tut man auch; ich kann nicht einmal versuchen, etwas in der Gesellschaft zu verändern. Ich verlange nicht Ihr Mitleid, auf keinen Fall, denn das brauche ich nicht und das bringt mich nicht weiter. Ich will Ihre Hilfe, lernt endlich, Farbe zu bekennen, wenn schon so gerne über Farben gesprochen wird. Sie sollten Vorbilder sein, nicht die Täter. Es macht mich wütend, dass ich erwachsenen Leuten beibringen muss, was Toleranz ist. 

Ich bin nicht kriminell, Sie müssen keine Angst vor mir haben: Sie müssen keine Angst haben, beraubt zu werden, ob es sich nun um Geld handelt oder um Arbeitsplätze. Ich weiß, dass ich mich an Regeln halten muss, wenn ich in ein Land komme, an solche, die es überall auf der Welt gibt.  Aber ich werde nicht auf Regeln hören wie „Du hältst deine Haare zusammen, weil sie unordentlich aussehen“, „Schau zu, dass du sie unter Kontrolle kriegst, kannst du sie nicht mal glätten lassen?“.  Ich weiß, dass es unter meiner Verantwortung liegt, die Sprache zu lernen. Ich verlange Respeckt. Sie sagen, ich solle mich anpassen, aber ich werde mich nicht „anpassen“. Ich werde mich nicht limitieren. Ich werde mich integrieren. Bitte versuchen Sie sich  auch in eine Welt zu integrieren, in der ein Land nicht nur aus einer Nationalität bestehen kann.

Warum bin ich anders? Weil Sie mich zu etwas anderes machen und ich werde alles dagegen tun, ich werde Ihren Vorurteilen nicht gerecht werden. Ich bin nicht anders.
 




Envoyé: 12:12 Tue, 21 March 2017 par: Vaz Dinis Beatriz Laura