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Lesure Sarah

Das Kichern



‘Hehehe’

Da war es wieder, wie jedesmal, jede Nacht, jeden Tag.

Immer.

Meine Glieder fühlten sich wie gefroren an, regelrecht steif und unbenutzbar, als sich meine Finger um die Decke schlossen und ich sie langsam höher zog. Meine Augenlider hatte ich so fest zusammengepresst, dass es schon weh tat.

‘Hehehehhh...’

Ein kaputtes Kinderspielzeug, an dem man einen Knopf drückte und es Töne von sich gab; so hörte sich es an, jedoch kaputt und seit Jahren nicht benutzt, die Technik von der Zeit zerfressen und der Ton auf groteske Art und Weise verzerrt.

Es machte mich wahnsinnig, während ich fühlte, dass sich etwas wie ein Schleier auf mich legte; das Gefühl dessen, beobachtet zu werden. Augen, die unaufhörlich auf mir ruhten, wie jede Nacht, begleitet von dem grauenvollen Kichern, und wie immer fühlte ich mich wie gelähmt, konnte mich nicht bewegen, selbst wenn ich wollte.

‘He...’

Ich riss meine Augen auf und stierte gegen die dunkle Bettdecke, welche ich mir über den Kopf gezogen hatte. Ich spürte den Schweiß auf meiner Stirn, mein Atem raste, schon seit Ewigkeiten fühlte sich die Luft unter der Decke verbraucht an, heiß, unerträglich.

Meine Finger krampften sich um den Stoff der Decke und ich zog sie wieder näher zur mir heran, während ich vor Angst gelähmt in die leere Dunkelheit unter meiner Bettdecke stierte, noch immer mit dem Gefühl, dass ich beobachtet wurde.

Mit einem abschließenden Wimpernschlag schlug ich hastig die Bettdecke zurück, gab ein panisches, helles Keuchen von mir und tastete fahrig nach dem Schalter meiner Lampe, welche auf dem Nachttisch stand.

Nur Sekunden später wurde das Zimmer in gelbliches Licht getaucht, und ich richtete mich kerzengerade auf, drückte mir die Decke gegen die Brust und sah mich schnell atmend um.

Nichts.

Das Einzige was einen gruseligen Eindruck hätte verleihen können, waren die Schatten, die die Möbelstücke warfen, doch ansonsten sah mein Schlafzimmer wie sonst immer aus; verzerrt durch die Schatten, welche von dem schwachen Licht geworfen wurden.

Mein flacher Atem hörte sich verboten laut in der nächtlichen Stille an, doch im Vergleich zu dem, was im nächsten Moment wieder ertönte, schien es praktisch nicht existent.

Irgendwo in der Wohnung war ein lautes Scheppern zu hören, ohrenbetäubend und so erschreckend plötzlich, dass ich heftig zusammenzuckte und ich mit dem Kopf gegen die Wand hinter mir knallte.

Stöhnend und mir den Kopf reibend, schlug ich nun langsam die Bettdecke zurück und setzte vorsichtig einen Fuß auf den Boden; ich erwartete schon eine von der Zeit zerfressene, kalkweiße Hand unter dem Bettgestell hervorschießen und meinen Knöchel umgreifen sehen, doch meine Angst verbunden mit unbändiger Fantasie, war kein gutes Gemisch.

Ich merkte, dass ich mit jeder Sekunde paranoider wurde.

Das Wehen des Vorhangs, der Vorbote eines Monsters, welches mit aufgebauschten Umhang rein gerauscht kam.

Der Schatten der Lampe, eine Kralle, die mir nachgeiferte, den Arm ausstreckte, mich zu berühren versuchte.

Das Rascheln der Bettdecke, nicht etwa verursacht durch meine Bewegungen, nein, ein Wesen aus der Hölle versteckte sich im Laken und wartete auf seine Chance.

Mit einem dumpfen Dröhnen auf den Ohren, verursacht durch meine grenzenlose Angst, setzte ich einen Fuß vorsichtig vor den anderen und begab mich bis zur Tür, schob sie leicht auf, tastete mit der Hand außen an der Wand herum bis ich den Lichtschalter fand und stieß die Tür restlos auf, als der schwache Lichtschein der Deckenlampe im Gang ihren Weg in mein Zimmer fand.

Der Flur meiner kleinen Wohnung sah aus wie immer, abgesehen davon, dass es Nacht war, und so begab ich mich vorsichtig und langsam in Richtung Küche am anderen Ende des Ganges, da ich mir sicher war, ob das Scheppern aus dieser Richtung gekommen war

Ich hatte meine Finger weit von mir gestreckt, um jede Veränderung der Luftpartikel zu bemerken – zugegebenermaßen ein wenig unrealistisch - , auf Zehenspitzen schlich ich den Gang entlang, jeden meiner 6 Sinne auf das Ärgste geschärft.

Mit jedem Schritt wurde mein Atem wieder schneller, das Schwindelgefühl stärker, die Sinne schärfer, die Angst einnehmender, und als ich schließlich die Glastür der Küche erreichte, fühlte ich mich wie nach einem Marathonlauf.

Blitzschnell, ich konnte meine eigenen Bewegungen nicht sehen – weil sie so schnell waren oder weil ich nicht in der Verfassung war, mich darauf zu konzentrieren, ich wusste es nicht – schaltete ich auch jetzt das Licht in der Küche an.

Zwei Töpfe waren auf wunderliche Art und Weise aus der Spüle geflogen, lagen nun halb übereinander gestapelt auf dem Boden

Die ganze Küche vermittelte den Eindruck, als sähe sie immer so aus. Die Fliesen frisch gewischt. Die Tischdecke gerade gewechselt. Das Geschirr geputzt. Tassen und Gläser eben eingeräumt. Und inmitten des Raumes auf dem Boden lagen diese zwei Töpfe. Als gehörten sie wie selbstverständlich dort hin.

Eine bisher unbemerkte Last fiel mir von den Schultern, und ich stieß die angehaltene Luft schnaufend aus, stützte mich an dem Küchentresen ab und blickte mich langsam um. Die Angst saß zwar noch immer stechend und bedrohlich in meinem Nacken, jedoch wusste ich, dass kein Einbrecher oder Ähnliches hier war, und das war schon ein winziger Triumph.

Langsam begab ich mich in die Mitte des Raumes, um die Töpfe aufzuheben.

Als ich beim Bücken einen brennenden Punkt im Nacken spürte, fuhr mir die plötzlich aufgekommende Kälte wie ein Schwert durch den Körper, und blitzschnell richtete ich mich auf, warf die Töpfe achtlos auf den Tisch und floh aus der Küche durch den Gang in mein Zimmer. Als ich dort ankam, glänzten mir wieder Schweißperlen auf der Stirn, mein Atem ging zittrig und keuchend, ich musste husten, mein ganzer Körper fühlte sich wie paralysiert an, gleichzeitig schoss mir jedoch das heiße Blut durch die Adern.

Ich warf einen Blick zurück in den Gang und sah, dass in der Küche noch das Licht brannte.

Kurz überlegte ich, entschied jedoch, es so zu lassen. Keine 10 Pferde brachten mich wieder durch diesen Gang in diese vermaledeite Küche.

Zittrig tastete ich nach dem Lichtschalter an der Wand auf der anderen Seite, und schaltete das Licht im Gang wieder aus und wollte schon wieder meine Zimmertür schließen, als mich der nächste Schreck überkam.

Kaum erkennbar, jedoch trotzdem deutlich zu sehen, das Licht aus der Küche im Rücken, stand am anderen Ende des Ganges eine tiefschwarze Gestalt. Nur die schemenhaften Glieder waren erkennbar: mager, wildes Haar und groß, doch mir blieb das Herz stehen.

Wie ein kleiner Wink, ein Lufthauch, ein sich bewegender Luftpartikel in der Luft, wirkte der nächste Moment, als „Es“ die gut erkennbare Hand plötzlich langsam zu heben begann. Dann schienen die Knochen zu knirschen, die Hüfte bewegte sich, und ein Fuß setzte sich vor den anderen.

Ein erschütternder Schrei verließ meine Lippen und ich stolperte gegen die Wand neben der Tür, als ich sie instinktiv weit aufriss und mit meiner geballten Faust fest auf den Lichtschalter schlug

Das Licht im Gang ging an.

Und die Gestalt war weg.

Schwer atmend starrte ich das Fenster, nur einen Flur von mir entfernt, an. Mein Blick schwirrte herum, tastete die Wände und Türen ab, doch es war nicht da.

Ich schnellte herum und ließ meinen Blick durch mein Zimmer fliegen, doch hier war auch nichts.

Ich schaute über meine Schulter, der Gang war noch immer erhellt, und so ging ich schnell zu der Kommode die wenige Meter entfernt stand, riss die Schubladen ruppig auf bis ich fand, was ich gesucht hatte.

Wenige Minuten später lag ich in meinem Bett, hellwach, die Zimmertür leicht geöffnet, und starrte ausdruckslos in die Leere.

Mein Blick wanderte langsam über die grässliche alte Blumentapete und streifte schließlich meine angelehnte Zimmertür. Im Gang brannte noch das Licht.

Ich hatte den Lichtschalter mit Thesa verklebt, damit auch nichts und niemand das Licht wieder ausmachen konnte, außer er sei mit einer Schere bewaffnet, was in Anbetracht dessen, dass eingebrochen werden könnte, komplett unlogisch, gar unmöglich schien.

Das Licht im Flur glomm unerbittlich, und ich wusste, die Stromkosten würden unverzeihlich teuer werden – jedoch spielte ich schon seit Tagen mit dem Gedanken, mir eine neue Wohnung zu suchen. Das Kichern raubte mir jeden Nerv.

So auch wie diese Nacht, doch heute hatte der Horror seine Spitze erreicht. Ich saß dementsprechend wie gelähmt auf dem Bett, unfähig zu denken, zu sprechen, mich zu bewegen, egal was, ich hätte es nicht gekonnt.

Ich liess mich tiefer unter die Decke gleiten, zog mir das Laken bis unter die Nase hoch und beobachtete trotzdem noch mein Umfeld in der Erwartung, aus einer Ecke ein todbringendes Monster springen zu sehen.

So aufgedreht und aufgeregt ich war, so schnell mein Herz auch in meiner Brust pumpte, nach ungefähr einer halben Stunde merkte ich, dass meine Lider schwer wurden. Ich versuchte halbherzig dagegen anzukämpfen, doch da ich seit einer Woche nicht mehr als 5 Stunden am Stück geschlafen hatte, wurde dieser Plan mit Leichtigkeit vereitelt.

Nach wenigen Minuten war ich so weit, dass ich meine Augen nicht mehr als nur wenige Millimeter geöffnet halten konnte, und so sehr ich meinen menschlichen Organismus dafür verfluchte dass ich Schlaf brauchte, bevor mir klar wurde was geschah, hatte eine angenehme Dunkelheit namens Schlaf mich umgeben.

 

Als sich ein dumpfes Geräusch in meine Wahrnehmung schlich und mir klar wurde, dass dieses schwerelose, unbeschwerte was mich umgab, langsam verschwand und sich in harte Realität verwandelte, wurde ich langsam aber sicher wach.

In kompletter Gewissheit dort liegend, wusste ich, dass ich tatsächlich wach war – in meinem momentanen Geisteszustand konnte man das schon leicht anzweifeln – wurde ich sogleich panisch.

Meine Augen traute ich mich nicht zu öffnen, und durch meine Lider konnte ich nur tiefschwarze Dunkelheit erkennen.

Unter meiner Decke war es brüllend heiß und regelrecht nass durch meinen Schweiß, das Laken klebte an mir, und mein Atem ging unkontrolliert schnell.

Ich hätte vieles darum gegeben um meinem Körper ein wenig frische Luft zu gönnen, doch allein das Ziehen in meinem Nacken, so dominant dass ich es nicht ignorieren konnte, hinderte mich mit Leichtigkeit daran.

Ich merkte es erst nach einiger Zeit, in der ich flach atmend versuchte, mein Herz zu beruhigen, doch plötzlich stand der Gedanke glasklar im Raum. Ich hatte Todesangst, so sehr, dass ich mit es nur mit aller Konzentration die ich in diesem Moment sammeln konnte, es über mich brachte, die Augen zu öffnen.

Das gesamte Zimmer war dunkel. Meine Nachttischlampe war aus, ebenso das Licht im Gang.

Sofort kniff ich meine Augen wieder zu, so fest, dass es weh tat, und im gleichen Moment ertönte ein Rascheln, nicht weit von mir. Wo es herkam konnte ich nicht sagen, doch es war da, und das reichte, um mich vor Schreck und Angst fast in Tränen ausbrechen zu lassen.

Ich schien es mir inmitten all des Wahnsinns einzubilden, doch ich hatte das Gefühl, dass das Rascheln von einem Schlurfen verursacht wurde, so leise dass man meinen könnte, ein Wichtel würde in zu langem Mantel über den Boden tapsen, das Ziehen in meinem Nacken steigerte sich indessen ins Unermessliche.

Ich holte tief Luft und wollte diese langsam und regelmäßig ausstoßen, um mich selbst zu beruhigen, doch schnell bemerkte ich dass es sinnlos war, da ich dadurch mit panischem Keuchen anfing. Wieder ertönte ein Rascheln.

Ich warf mich herum, dreht mich nach links, ballte meine Hände unter der Decke zu Fäusten und zog sie zu mir hoch, vergrub mein Gesicht in dem weichen Stoff.

Das Ziehen im Nacken hatte nicht mal eine Millisekunde nachgelassen, und wieder lag ich dort, während sämtliche Haare mir zu Berge standen. Bewegen konnte ich mich nicht und hoffte einfach nur, dass es bald aufhören würde.

Ich lag einige Minuten da, komplett verkrampft vor Angst und im regelrechtem Wahn. Die Hitze schnürte mir fast die Luft ab, doch weiterhin kämpfte ich gegen den Drang an, mir die Decke vom Leib zu reißen, und so da liegend, verkrampft, kochend vor Hitze, ein Ziehen im Nacken und die pure Todesangst auf der Stirn stehend, hoffte ich einfach nur, dass es schnell vorbei gehen würde. Nur noch diese eine Nacht, und ich wäre weg.

Nach einiger Zeit, mein Herz schien schon fast ein bisschen weniger schnell zu schlagen, ich hatte mich sogar ein wenig in Sicherheit gewogen, ertönte etwas, was mit einem Kreischen zu vergleichen war, als wenn jemand Kreide über eine Tafel zog oder die Fingernägel über Stein.

Ich fuhr zusammen und schlug meine Hand vor den Mund um meinen Schrei zu ersticken, doch dem Reflex, die Augen aufzureißen, konnte ich trotzdem nicht entgegenwirken.

Auf groteske Art und Weise verzogen, das Grinsen breit und hämisch, etwas rotes, getrocknetes im Mundwinkel, die undefinierbar dunklen Augen im Wahn weit aufgerissen, das gesamte Gesicht des wahnsinnigen Lachen wegen verzogen, die pure Bosheit in den Augen.

Es sollte das Letzte sein, was ich sah.




Envoyé: 10:07 Sat, 28 March 2015 par: Lesure Sarah