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Charlotte Wirth

Tod

Verdrängt, ignoriert, maskiert. Jeden Tag werden wir mit ihm konfrontiert, und realisieren nicht. Wir sagen 2000 Tote durch Boko Haram. Wir sagen 100 Tote bei Zugunglück. Tagtäglich in den Medien – Radio, Fernsehen, Zeitung: Wieder Tote und Terror. Kinder sterben, Dörfer werden ausgelöscht. Wir gedenken. „Plötzlich von uns gegangen“ lesen wir. „Erlöst vom Leiden“ lesen wir. Und doch, er bleibt abstrakt, ungreifbar, fremd. Ein Bericht über Ebola – schrecklich. Wir schalten um, gucken CSI – was ein Spaß.  Er ist unpersönlich und fern. Und wir, wir sind abgestumpft. Registrieren ohne zu realisieren. Begreifen nicht, empfinden nicht. Zu oft gehört, zu oft geseh’n. Und doch sind wir blind. 

Bis er kommt, der persönliche Tod, bis er eindringt in unser Leben. Auf leisen Sohlen. Ein Familienmitglied, ein Freund. Und wir, wir sind unvorbereitet. Wie geht man um, mit dem Sterbenden? Wie, mit dem Tod? Jemand ist da, und dann ist er weg. Einfach so! 

Er begegnet uns Tag für Tag und doch sind wir blind. Trauer, Angst, Abschied sind fremd. Wir können nicht helfen, wir wissen nicht wie! Sterbende werden abgeschoben, ausgeklammert. Hinein in die Krankenhäuser. Die Verantwortung wird abgegeben. Unsere Gesellschaft blickt nach vorn. Sieht Zukunft und Fortschritt. Kein Platz ist da für Tod und Zerfall. 

Und doch, ein Satz kommt immer wieder: „In Würde sterben wollen wir.“ Doch er ist ohne Bedeutung: Was heißt in Würde sterben? Wenn wir den Tod nicht ansprechen, das Sterben nicht thematisieren. Es bleibt es ein leerer Satz. Und wir können nicht verstehen, nicht helfen, nicht mit ihm umgehen. 

Wir verdrängen und sind gleichzeitig abgestumpft. Doch er ist da, und bleibt. Trifft uns ohne Warnung, ohne Schutzschild. Jeden Tag sehen wir Tote und doch, vom persönlichen Tod wissen wir nichts. Doch es wird Zeit:

Schluss mit Ignoranz, weg mit den Scheuklappen. Wir wollen nicht mehr blind sein, wir dürfen nicht mehr stumm sein!




Envoyé: 12:31 Mon, 2 February 2015 par: Charlotte Wirth