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Batkic Berina

Die rosa Sandalen



Wiedermal saß ich auf dieser alten Bank vor dem strömenden Fluss. Täglich kam ich in der Mittagspause hierher und genoss den Rausch des Flusses und den Gesang der Vögel. Schließlich war das der einzige Ort, an dem ich mich wohlfühle. In der Schule war es ganz anders. Da sah mich jeder als das große ruhige Mädchen, das nie redetete. Doch hier fühlte ich mich mit dem Ort verbunden.

Heute war es allerdings anders. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht merkte, dass sich etwas neben mich platzierte. Als ich kurz hinüber schielte, sah ich ein jüngeres Mädchen mit wunderschönen blauen Augen mit Locken und roten Bäckchen. Sie trug ein Sommerkleid und rosa Sandalen, obwohl es doch Herbst war. Die Sandalen aber kamen mir bekannt vor. Ich machte mir keine Gedanken über das Mädchen mehr und schaute wieder zum Fluss.

Das kleine Mädchen kam tagtäglich um die gleiche Uhrzeit aus dem Nichts mit den gleichen Sommerkleid und den gleichen rosa Sandalen.

Am ersten Sommertag des Jahres war es jedoch anders. Das kleine Mädchen  erschien nicht. Ich machte mir nicht allzu große Gedanken, sie hatte wahrscheinlich etwas zu tun.

Sie kam  aber überhaupt nicht mehr und ich machte mir Sorgen. Sie war ein kleines Mädchen und könnte in Gefahr schweben. Ich ließ es aber sein.

Am ersten Tag des Herbstes waren an dem Ort viele Polizisten, die gerade etwas aus dem Fluss herausfischten. Als ich genauer hinschaute, erkannte ich das kleine Mädchen, ganz blass. Es war meine kleine Schwester, die letztes Jahr am ersten Sommertag verschwunden war.

Doch sie trug keine rosa Sandalen.

 

 




Envoyé: 20:40 Tue, 19 February 2019 par: Batkic Berina