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Karisik Alma

Stück Nummer 1

MODERATOR: Setzen Sie Sich doch bitte, Herr Gast!

Der Moderator bietet dem Gast den Platz an und beide schütteln sich die Hände.

Der Gast setzt sich.

GAST: Sehr vielen Dank, Herr Moderator. Ich hoffe Ihnen keine Umstände gemacht zu haben. Es war ja wohl sehr schwer mich zu kriegen.

Moderator lächelt in sich hinein.

MODERATOR: Aber, aber! Mit Mühe habe ich es geschafft, umso erfreuter war ich, als es dann doch geklappt hatte und Sie Zeit hatten.

GAST: Ich bin ein viel beschäftigter Mann, und auch ich habe Prioritäten. Dies ist gewiss nur eine Ausnahme, wie Sie sicher wissen. Meine Sekretärin hat es Ihnen doch gewiss berichtet, nicht?

MODERATOR: Sehr wohl!

GAST: Gut, etwas anderes würde mich auch mehr als wundern.

Moderator kratzt sich verlegen am Kopf.

MODERATOR: So denn, ich würde vorschlagen anzufangen – wir wollen Ihre kostbare Zeit ja nicht mit unnützem Gespräch verschwenden.

GAST: Wahrlich, darauf könnte man trinken!

Moderator lacht leise auf.

MODERATOR: Wann haben Sie angefangen, mit dem Schreiben? Und mit dem zur Schau stellen der Schriften?

GAST: Nun, ich schrieb ein Leben lang. Mit dem Zeigen fing es allerdings erst vor Kurzem an. Nie hätte ich mir solch' eine Bekanntheit meiner Werke vorgestellt. Dennoch – mögen tu ich es gewiss nicht. Man darf sich wahrlich keine falschen Vorstellungen von mir machen, oder sich gar für immer unerfüllt bleibende Hoffnungen bezugs meiner Person setzen.

Moderator schaut auf sein Heft, und denkt nach.

MODERATOR: Wie sind Sie ans Schreiben gekommen?

GAST: Nun ...

Gast lacht auf.

GAST: Eine herrlich' witzige Geschichte, müssen Sie wissen. Ich war jung und Mutter ebenfalls. Im Wahn des Wissens gefangen, zwang sie mich jegliche Bücher abzuarbeiten, die sie in ihrer persönlichen Bibliothek hatte. Sie müssen wissen – es war eine mächtige Bibliothek, kaum auszudenken, was geschehen würde, wenn all die Schriften in die falschen Hände geraten würden. Jedenfalls zog ich mir Wissen zu, das kein 8-Jähriger zu wissen hatte. Mutter war stolz und ich fing an, Gefallen an den Schriften zu finden. Bei Sokrates' Verteidigungsrede war es dann um mich geschehen – und ich musste meine Gedanken aufschreiben. Seitdem kann ich nicht mehr aufhören, und werde dies glückerweise auch nie mehr.

MODERATOR: Also gelang es Ihnen tatsächlich bereits im Kindesalter solch' fantastische Werke zu lesen. Dass ist wirklich beeindruckend. Warum aber besaß Ihre Mutter solch' eine „mächtige Bibliothek“? Zu Arbeitszwecken oder ganz privater Willen.

GAST: Nun, Herr Moderator, so leid es mir tut, aber ich werde gewiss nicht auf alle Fragen eingehen.

Moderator räuspert sich.

MODERATOR: Gut.

Moderator blickt in sein Heft.

MODERATOR: In Ihrem Werke, „Schwarzer Trost“, sagt Ihr Hauptprotagonist: »Ich sehe in den Spiegel, und ich irre mich.« Was bedeutet dieser Satz?

Gast lacht schallend auf.

GAST: Mein Lieber! Das fragen Sie mich? Ich bin doch nur ein Schreiber, jemand, der dahingeflogene Gedanken niederschreibt, aber nicht jemand, der sie versteht! Aber nun gut. Ich werde Ihnen erklären, was ich davon halte. Ihre Meinung können Sie sich dann ja immernoch bilden.

Unsere Gesellschaft ist Schund, der in die Mülltonne gehört. Mit perfiden Plänen versuchen wir alles um uns herum zu zerstören – aber das Komische daran ist ja, dass 3/4 davon nicht einmal etwas mitbekommt. Scheinwelt. So nennt man dies. Diejenigen, die es wissen, müssen ein Leben lang in Trauer leben, denn sie können nichts dagegen tun. Sie sind diejenigen, die damit leben müssen. Ist dies nicht ungerecht? Jedenfalls, um auf das eigentliche Thema zurückzukommen, jeder trägt Masken um sein Gesicht zu verbergen. Denn das Gesicht heißt das Innere, bedeutet das Leben, und meint Glück. Wer will denn schon sein Glück zerstören? Niemand. Doch eigentlich denken sie nur, dass ihr Gesicht verborgen liegt. Denn das was sie tagtäglich im Spiegel sehen, ist ihr Wahres. Ganz einfach, wie Sie sehen.

Moderator schaut den Gast skeptisch an.

MODERATOR zögernd: Genau ... Ich glaube, wir beenden es hier und fahren ein anderes Mal fort. Sie sind doch so ein beschäftigter Mann, nicht wahr?

GAST lächelnd: Genau.




Envoyé: 08:00 Tue, 3 March 2015 par: Karisik Alma