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Dams Yana

Tödlicher Rosenduft



Und eines Tages, als sie durch die Tür trat, erschienen alle ihre Probleme wie ausgelöscht. Sie fühlte sich wie im Paradies. Wunderschöne Trauerweiden mit ihren langen Ästen, die bis zu den Spitzen mit sanften lila Blättern bedeckt waren und die bis zum Boden reichten. Sie trat weiter in ihre neue Welt ein. Der warme Wind wehte durch ihr schwarzes, langes Haar, ihre nackten Zehen spürten das weiche, lila schimmernde Gras. Rosenduft durchfuhr das Land und blaue Blumen tanzten im Wind. Das Glück kaum fassend lief sie voller Freude den Hügel hinauf und entdeckte einen Fluss, tiefblau, in dem die Abendsonne bronze schimmerte. Sie liebte ihre Umgebung und obwohl sie erst das erste Mal durch diese Tür gegangen war, kam ihr alles sofort vertraut vor. Sie hörte das Zwitschern der buntesten und schönsten Vögel, das Rauschen der größten und perfektesten Wellen des Meeres und sah auch das grellste Schimmern des ihr unendlich erscheinenden Strandes.
Sie liebte ihre neue Welt, wälzte sich im Gras und schwamm im kühlen Fluss, bis ihr plötzlich ein schwarzer Schatten auffiel. Sie stieg aus dem Wasser, zog sich ihren Pulli über und ging langsam auf den Schatten zu.
Er rührte sich nicht.
"Hey, wer bist du?", fragte sie.
"Parabo ist mein Name. Ich bin dein neuer Freund."
Eine Gestalt tauchte hinter dem Gebüsch auf. Schwarze Haarsträhnchen fielen unter seiner dunklen Kapuze hervor. Er war etwas größer als sie, wirkte aber sehr nett und harmlos.
Beide redeten und lernten sich etwas kennen, bis Parabo sie plötzlich umarmte und die Welt um sie herum zu zerbrechen drohte.
Steffi riss die Augen auf.
"Mädchen, bist du verrückt? Dass du dich das in meinem Haus traust. Deine Mutter hat dir also echt nichts beigebracht..."
Ihr Vater schimpfte immer weiter. Steffi schaute sich um, sie befand sich in ihrem Zimmer. Sie scheint noch etwas benebelt zu sein.
Ihre Mutter saß hinten in der Ecke, ihre Lippen bluteten und ihre Wangen glühten feuerrot.
"Hörst du mir überhaupt zu?", schrie Steffis Vater. 
Sie sah ihn bloß an. Er hob die Hand und Steffi fühlte den Schmerz, der von ihrer Wange über das Gesicht, den Hals und den Rücken zog. Sie weinte nicht, schon längst nicht mehr. Sie war das ganze Disaster eh gewohnt und scherte sich nicht mehr darum. Ihr Vater stand auf, zerrte ihre Mutter aus dem Zimmer und warnte Steffi, dass er noch längst nicht mit ihr fertig sei.

Auf dem Weg zur Schule dachte Steffi an Parabo. Obwohl sie nur seine Haarsträhnchen gesehen hatte, zwar mit ihm gesprochen, aber nicht sein Gesicht sehen konnte, wusste sie, dass er  scheinbar einfach perfekt war. Und seine letzte Umarmung, war das ein "Auf Wiedersehen"?
Während dem Unterricht hörte Steffi zu, ignorierte ihre Mitschüler und verzog sich wie jede Pause in ihre Toilettenkabine zurück. Sie wusste, was sie tun würde, wenn sie zu Hause sei. Sie würde Parabo wiedersehen und sich in ihre eigene Welt zurückziehen.

Zuhause angekommen schmiss sie ihren Rucksack in die Ecke, schritt in ihr Zimmer und schloss ab. Sie legte sich aufs Bett, schluckte drei Pillen auf einmal und wartete auf deren Wirkung. Sie schloss die Augen, spürte wie sie sich der Realität entzog. Sie war aufgeregt und konnte es kaum erwarten. Wieder stand sie in einem dunklen Raum, vor ihr die mit getönten Fenstern herabgekommene Tür. Sie öffnete sie leise und trat in ihre perfekte Welt ein. Aufgeregt und voller Vorfreude streifte Steffi etwas umher und fand Parabo an der gleichen Stelle, wo er sie umarmt hatte. Sie redeten, gingen spazieren, lachten und verbrachten Stunden miteinander. Steffi kam es wie eine Ewigkeit vor, und am liebsten würde sie auf Ewig bei ihm bleiben. Sie liebte ihn, ganz eindeutig. Plötzlich stand Parabo auf, zog sie zu sich hoch und umarmte sie wieder. Steffi flüsterte ihm zu: " Ich komme wieder", und erwachte wieder in ihrem Zimmer.

Plötzlich hörte sie ihre Mutter mehrmals aufschreien, Gläser zerbrachen und dann war es still. Zu still. Steffi machte sich Sorgen um ihre Mutter, aber sie traute sich nicht, etwas gegen ihren Vater zu tun. Sie schaute aus ihrem vergitterten Fenster runter auf die Straße. Ihr Vater übergab ihre Mutter mit einer Platzwunde am Kopf und scheinbar bewusstlos einem Fremden, der ihm wiederum einen Briefumschlag gab. Steffi war sich nicht sicher, ob ihre Mutter bewusstlos war, aber sie wünschte es sich. Der Vater trat zurück ins Haus, der Fremde legte die Frau in den Kofferraum und fuhr davon. Steffi weinte. Sie fühlte sich innerlich zerbrochen, dass sie einfach nur noch aus dieser Welt flüchten wollte. Sie hörte, wie ihr Vater die Treppen zu ihr hochkam. Angst  und Panik stiegen in Steffi auf. Sie schob ihren Schrank vor die Tür und trat zwei Schritte zurück, als sie hörte, wie ihr Vater gegen die Tür trat.

Ihr tränennasser Blick fiel auf die kleine Schachtel auf ihrem Nachttisch. Sie würde aus dieser Welt fliehen, zurück ins Paradies, zurück zu Parabo mit dem sie unendlich viele Stunden verbringen, mit dem sie weiterleben würde, mit dem alles perfekt war. Steffi lief hin, öffnete die Schachtel und schluckte etliche Pillen, sie zählte sie nicht einmal mehr. Ihr Vater trat weiter gegen die Tür, aber es war ihr egal. Sie würde ihn nie wiedersehen, ihn, der ihr das Leben zum schrecklichsten Ort machte, der sie und ihre Mutter schlug und letztere zusätzlich verkauft hatte. Steffis Augen schlossen sich, der Lärm der Tür verschwand immer weiter im Hintergrund, bis er ganz verstummte.

Wieder der schwarze Raum mit der Tür. Sie würde ihn wiedersehen, er wartete auf sie. Sie lief hin, öffnete die Tür. Parabo stand vor ihr, man hörte, wie er weinte. Steffi verstand nicht, es zerbrach ihr das Herz, ihn weinen zu hören. Er kam zu ihr, umarmte sie solange, bis das Paradies immer dunkler wurde, zerbrach, und Steffis letzter Geruch, der Rosenduft, umschweifte sie und stieg in ihre Nase, bevor ihr Herz aufhörte zu schlagen.

 

 




Envoyé: 23:47 Fri, 16 March 2018 par: Dams Yana