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Reimen Lynn

Gondel des Lebens



Er liegt im Bett, verdrossen und alt,
ruft ihren Namen; es ist ihm kalt.
Sie kommt herein mit Decken und Tee,
deckt ihn zu wie eine zarte Fee,
als er plötzlich spricht mit dem Kind
und von dem Leben zu zählen beginnt.

‘’Hör mir gut zu, mein Kind:
Ich sitz in ‘ner Gondel und fahre ‘gen Wind.
Ich sitz’ hier schon lange, dreh mich im Kreis,
da niemand das Riesenrad zu stoppen weiß.
Doch will ich vorne anfangen, mein Kind.
Ich erzähl dir nun meine Geschicht’ geschwind.

Alles fing an am helllichten Morgen.
Mama brachte mich zum Riesenrad ohne jegliche Sorgen.
Ich stieg ein und fühlte mich sofort geborgen,
ich dachte an das Hier und Jetzt und nicht an morgen.
Ich beobachtete Menschen beim Gehen,
andere sah ich am Eingang stehen.
Ich wollte alles wissen und erkunden
und beim Aufstieg der Gondel hab’ ich alles noch schöner gefunden.

Nun dreh’ ich schon lange, bleibe fast stehen,
aus den schmutzigen Fenstern kann ich kaum noch sehn,
die Luft in der Gondel ist stickig und dick,
ich hab’ ihn erwartet, diesen Augenblick.
Mein Kind, bald wird meine Gondel stehen,
doch das Riesenrad wird immer weiterdrehen.
Denn ich sitz nicht allein’ hier und drehe gen Wind,
in einer dieser Gondeln sitzt auch du, mein Kind.’’

Das Kind wusste nicht, wieso es diese Worte so genoss.
Doch als der Vater ganz langsam seine Augenlider schloss,
wusste es, dass seine Gondel sich geöffnet hatte,
und dass er das Riesenrad mit diesen Worten verlassen hatte.

 

 




Envoyé: 18:36 Fri, 16 March 2018 par: Reimen Lynn