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Rollinger Caroline

Zwischen zwei Welten



Es war stockfinstere Nacht und der Weg war einsam. Die Scheinwerfer des Autos waren bereits so verdreckt, dass das Licht nicht mehr ausreichend die Straße beleuchtete. Ich blickte einmal hastig hinter mich, doch es war keiner zu sehen. Als meine Schwester es bemerkte, verspottete sie mich, was mich ärgerte. Schon ihre dauernden Bitten mit ihr ins Kino zu fahren, hatten mich leicht verstimmt, vor allem um diese Uhrzeit und dann auch noch in so einen kitschigen Film, aber dass sie mich nun auslachte, fand ich respektlos. Vor allem mir, ihrem älteren Bruder, gegenüber.
Wegen ihrer Geschwindigkeit machte ich mir Sorgen, dass sie die Felder um uns herum mit der Straße verwechseln würde. Ich fixierte den Weg vor uns. Nie wieder würde ich mit ihr irgendwo hinfahren. Das schwor ich mir nun schon zum siebten Mal und ich würde es wahrscheinlich wieder nicht halten können. Entweder war ich auf sie angewiesen oder sie ließ mich nicht in Ruhe bis ich dann doch mit ihr wegfuhr.
Julia fuhr sorglos, aber weiterhin schnell, eine gerade Route entlang. Plötzlich erschien im Dunkel eine Gestalt.
„Julia, halt!“, schrie ich. Erschrocken trat sie mit aller Kraft auf die Bremse. Das Auto kam ruckartig zum Stehen. Julias Augen suchten die Straße ab. Als sie niemanden sah, atmete sie erleichtert aus.
„Mann, Marcel, erschrick mich nicht so!“ Sie schaltete wieder in den ersten Gang und fuhr an. „Das hätte schief ausgehen können.“ Sie nahm ein ruhigeres, angenehmeres Tempo an.
„Da stand jemand auf der Straße!“, fuhr ich sie zähneknirschend an. „Das hätte schief ausgehen können.“
Sie warf mir einen mitfühlenden Blick zu. „Da war niemand. Das hast du dir in der Dunkelheit nur eingebildet.“
„Nein, da war jemand! Im Gegensatz zu dir gebe ich nämlich Acht!“, schrie ich und schlug wütend aufs Armaturenbrett. Julia hielt mit quietschenden Reifen an. Sie sah mich an.
„Hast du deine Neuroleptika schon genommen?“
„Ich bin nicht krank!“, fuhr ich sie an.
„Du bist unruhig, hast öfters Angstzustände und offensichtliche Aggressionsprobleme. Das Neuroleptikum wirkt auch als Beruhigungsmittel, also nimm es. Der Arzt hat es dir doch verschrieben.“
„Der Arzt interessiert mich nicht! Jeder Idiot kann einen weißen Kittel anziehen und mich mit irgendwelchen Fachwörtern und Medikamenten bewerfen. Stimmen tut es dabei selten.“
Meine Schwester seufzte und fuhr weiter. „Du musst die Medikamente nehmen. Das hast du doch sonst auch immer gemacht und es hatte geholfen.“
Ich schnaubte. „Die Einnahme war nicht freiwillig.“
„Und trotzdem hat es geholfen“, murmelte Julia. Ich erwiderte nichts. Das glaubte sie doch nur, weil sie es glauben wollte.
Ich schaute aus dem Fenster. Morgen Nacht würde Vollmond sein. Ich warf einen Blick auf die Digitaluhr im Auto. Zwei Uhr morgens. Es würde ein anstrengendes Wochenende werden. Zuerst dieser späte Ausflug mit meiner naiven Schwester und morgen, am Sonntag, das Essen mit unseren Eltern, welche ich verabscheute. Im Gegensatz zu meiner Schwester. Diese war zwar nervig und anstrengend, aber in gewisser Weise auch liebevoll.
Wir kamen nach nur weiteren fünf Minuten zuhause an. Wir lebten gemeinsam in einem abgelegten Haus. Schon als Kinder wohnten wir auf einer Farm, abseits der Zivilisation. Meine Eltern waren noch immer dort.
Viele Leute fanden es seltsam, dass Julia und ich zusammenlebten. Ich hatte ihr auch schon mehrmals gesagt, sie solle ausziehen. Zudem wollte sie, im Gegensatz zu mir, in eine Großstadt ziehen, aber sie tat es nie. Sie zog es nicht mal in Erwägung. Der Grund war mir unbekannt.
Als ich endlich ins Bett ging, kam Julia nochmal vorbei und legte mir die Medikamente auf den Nachttisch.
„Nimm sie“, bat sie mich.
„Hm“, murmelte ich nur. Ich würde am nächsten Morgen einfach eine Kapsel wegwerfen, damit es so aussah als hätte ich eine genommen. Dann gab sie wenigstens Ruhe.

Julia klopfte an der Tür des alten Hauses. Sie trug einen Kuchen auf den Armen. Den hatte sie extra für unsere Eltern gebacken. Sie wirkte gut gelaunt. Teilweise glaubte ich, dass es daran lag, dass sie glaubte, ich würde meine Medikamente nehmen. Teilweise freute sie sich wohl auch nur unsere Eltern zu sehen.
Meine Mutter öffnete die Tür.
„Julia, schön dich zu sehen.“ Sie gaben sich zwei Wangenküsse. Danach begrüßte Julia unseren Vater auf die gleiche Art. Mich umarmte meine Mutter nur kurz und mein Vater gab mir einen festen Händedruck. Sie sagten zwar auch bei mir, dass es schön sei, mich zu sehen, aber in einer anderen Tonlage. Nicht so erfreut wie bei Julia.
„Kommt doch schon mal ins Wohnzimmer.“ Unsere zierliche Mutter führte uns durch die Küche ins Wohnzimmer.
„Hast du gehört?“, raunte ich meiner Schwester zu. „Sie waren nicht so erfreut mich zu sehen, wie dich! Ihre Tonlage war anders!“
Julia sah mich abschätzig an. „Du übertreibst schon wieder. Warum sollten sie nicht erfreut sein? Sie mögen dich.“
„Ich mag sie aber nicht!“
„Dann brauchst du dich auch nicht zu beschweren“, erwiderte Julia und ging schneller, um mir aus dem Weg zu gehen. Sie holte meine Mutter auf und unterhielt sich mit ihr.
„Na Sohnemann?“ Mein Vater schlug mir mit der Hand auf die Schulter. Für sein Alter war er noch ausgesprochen stark. „Was hast du aus deinem Leben gemacht? Wir haben uns ja schon einige Monate nicht mehr gesprochen.“
War ja klar, dass er sofort mit meinem Leben anfangen würde. Ihn interessierte nur, dass ich etwas erreichte.
„Ich bin nach wie vor arbeitslos und Julia zahlt für das Haus“, gestand ich. Wie erwartet wirkte er enttäuscht.
Wir erreichten das Wohnzimmer. Meine Mutter deutete auf das Sofa. „Setzt euch doch“, bat sie. Meine Schwester legte beim Hinsetzen ihr Handy auf den Couchtisch. Ich ließ mich auf das Möbelstück fallen. Durch die Jahre war das braune Leder schon ganz abgenutzt. Während mein Vater sich auf einen der zwei Sessel niederließ, verschwand meine Mutter in der Küche um die Vorspeise zu holen. Mir war schleierhaft warum sie jedes Mal so ein großes Ereignis aus einem Besuch machte. Vor allem aus einem Besuch von ihren Kindern. Ich fühlte mich durch sie jedes Mal als sei es mein letzter Tag und sie brachte die Henkersmahlzeit. Diesen Gedanken hatte ich Julia bereits mitgeteilt. Sie hatte mich verständnislos angesehen und erklärt, dass unsere Mutter uns nur verwöhnte. Das hatte mich wiederrum verwirrt. „Sie mästet uns!“, hatte ich erwidert. „Irgendwann schlachtet sie uns.“
„Du bist so paranoid“, hatte Julia gesagt. Danach war das Thema für sie erledigt. Für mich aber noch lange nicht. Zum ersten Mal fand ich, dass Julia recht hatte. Ein gewisses Maß an Paranoia besaß ich, wozu ich allerdings jeden Grund hatte. Wenn man ein so großes Geheimnis zu hüten hatte wie ich, gab man zu pingelig darauf Acht, dass es nicht an die Öffentlichkeit geriet.
Meine Mutter kehrte mit einem Tablett zurück. Sie hielt ihn uns hin. Er war voll mit kleinen Speisen. Julia nahm sich dankbar etwas, ich lehnte ab. Auf ihre Masche fiel ich nicht herein. Sie war zwar unsere Mutter, aber das hielt mich nicht davon ab, ihr die grausamsten Taten zuzutrauen.
„Was hast du heute gekocht, Mama?“, fragte Julia.
„Kürbissuppe, Salat mit Tomaten, Schweinebraten und anschließend gibt es Torte.“
Ich sah meine Schwester schräg von der Seite an. Die sollte mir noch einmal erklären, dass das kein Mästen war.
„Hoffentlich ist das Fleisch roh“, sagte ich. Meine Familie sah mich seltsam an. Dann lachte meine Schwester laut auf. Etwas unsicher begannen nun auch meine Eltern zu lachen. Da wurde ich wütend. Wie konnte Julia das nur als Witz hinstellen? Ich meinte es ernst. Ich schaute nach draußen. Es begann langsam zu dämmern. Nicht mehr lange und sie würde verstehen, warum ich rohes Fleisch wollte.

„Wo warst du?“, herrschte mich meine Schwester an. Total verdreckt mit zerrissener Kleidung betrat ich das Haus.
„Im Wald.“
Julia sah mich unverständlich an. „Die ganze Nacht?“
„Die ganze Nacht“, bestätigte ich.
Sie stieß einen Lacher aus. „Was machst du die ganze Nacht im Wald?“
„Gestern war Vollmond. Ich bin ein Werwolf.“
Schallend lachte sie los. „Du hast schon lange nicht mehr so viel Müll geredet. Jetzt komm essen.“

Heute würde sie mir glauben. Sie würde es glauben. Und meine Eltern gleich dazu. Ich hatte nie gewollt, dass es jemand erfährt, aber meine Eltern stellten eine Bedrohung dar. Ich musste sie abschrecken. Und meine Schwester hatte mich ausgelacht. Da wir weit von jeglicher Zivilisation waren, würde es sonst keiner mitkriegen und wenn sie damit an die Öffentlichkeit gingen, würde es sowieso keiner glauben. Also bestand keine Gefahr.
„Wir sollten essen gehen“, unterbrach meine Schwester die aufkommende Stille nach dem Lachen. Ich hatte meine Familie wohl sprachlos gemacht. Dies stimmte mich zufrieden.
„Ja“, befürwortete mein Vater. Er stand auf und trat ins Esszimmer. Die anderen folgten ihm eilig. Ich tat es ihnen gleich, als sie sich schon gesetzt hatten.
Die Suppe würgte ich runter, genau wie den Salat. Meine Schwester machte Komplimente über Mutters Kochkünste. Ich sagte nichts. Ich würde sie in ihrem Plan, uns zu schlachten, nicht unterstützen.
Endlich brachte sie den Braten herein. Er war nicht roh, aber ich würde auch so damit klarkommen. Sie nahm ein großes Fleischmesser und setzte an, um die erste Scheibe zu schneiden.
Verwandele dich!“, meldete sich die Stimme in meinem Kopf. Ich blickte hinter mich. Die Sonne war untergegangen. Stattdessen war nur noch die pechschwarze Nacht da. Die Nacht, der Mond und dieses Haus.
„Erinnerst du dich daran, wie ich dir erzählte ich sei ein Werwolf?“, fragte ich Julia. Wieder richtete sich jeder Blick auf mich. Sie wirkten ungläubig, verwirrt und leicht verängstigt. Keiner bewegte sich.
Schließlich räusperte sich Julia. „Ja ... Was ist damit?“
„Du hattest mich ausgelacht, weißt du noch? Ich fand das nicht so lustig.“ Ich stand auf. „Es war mein voller Ernst!“ Ich knallte meine Hand auf die Tischplatte. Meine Familie zuckte erschrocken zusammen.
Meine Fingernägel wurden zu Krallen und die Finger zu Klauen. „Jetzt wirst du die Wahrheit sehen! Siehst du die Krallen?“ Ich lachte. Haare sprossen aus meiner Haut und bedeckten den gesamten Körper. Die Beine und Arme wurden kräftig. Der Kopf wurde zu dem eines Wolfes. Ich knurrte. Schockiert sah mich meine Familie an. Meine Mutter hatte Tränen in den Augen. Ich brüllte meine Schwester an. Schockiert wich sie zurück, wobei sie mitsamt dem Stuhl umkippte.
Mein Blick glitt zu meiner Mutter.
Töte sie!“, befahl die Stimme. Ich sprang über den Tisch und krallte mich in ihrer Brust fest. Mit meinem enormen Gewicht schlug ich sie zu Boden. Ich zerfetzte ihre Magengrube, bis er nur noch blutige Masse war. Ich hörte schnelle Schritte. Ich sah auf. Rechts von mir lief meine Schwester davon. Mein Vater versuchte eine Flucht nach links. Ich sprang auf und nahm sofort die Verfolgung auf. Er schaffte es knapp bis in den Nebenraum. Ich knallte ihn gegen die Wand und ritzte ihm mit meinen Krallen die Kehle auf.
Ich lief zur Tür. Julia hatte sie gerade geöffnet und wollte hinausrennen. Ich packte sie am Kragen und schmetterte sie hinter mich, neben die Treppe. Sie weinte unaufhörlich und redete auf mich ein. Da ich nicht reagierte, richtete sie sich langsam auf, ging in die Hocke. Noch immer rannten Tränen ihr Gesicht runter.
Bring sie zum Schweigen!
Ich sprang auf sie zu. Sie packte das Geländer der Treppe und sprang darüber. Ich griff ins Leere und fiel hin. Ich richtete mich auf, knurrte und rannte ihr hinterher.
Julia stolperte in der Treppe. Ich packte ihren Fuß. Sie stieß mit dem anderen nach mir und erwischte meine Nase. Es knirschte und Blut rann heraus. Julia erreichte das Ende der Treppe Sie warf ein Regal um, um mir den Weg zu versperren. Überrascht durch diese Tat wich ich zurück und stolperte ein paar Stufen nach unten. Die Zeit, die ich brauchte, um mich wieder zu fassen, nutzte Julia, um die Leiter zum Dachboden zu erklimmen. Sie stieß die Falltür auf, hievte sich hoch und knallte sie wieder zu. In dem Moment erreichte ich die Leiter. Durch meine Größe benötigte ich diese nicht. Ich stieß gegen die Falltür, doch sie ließ sich nicht öffnen. Julia musste sie blockiert haben. Ich knurrte amüsiert. Als wenn das mich aufhalten würde.

Julia wich langsam von der Falltür zurück. Sie hatte einen Schrank draufgestellt und diesen dann mit allem gefüllt, was sie finden konnte. Danach hatte sie weitere Möbel draufplatziert. Hauptsache Marcel konnte nicht rein.
Sie setzte sich hin, die Knie angezogen. Bei jedem Klopfen gegen die Falltür zuckte sie zusammen. Plötzlich gab es einen Knall. Dann kehrte Stille ein. Julia wartete noch einige Minuten bevor sie sich der Falltür näherte. Langsam ging sie darauf zu. Sie legte ihr Ohr auf den Boden und versuchte zu hören, was unter ihr war. Nichts. Kein Laut drang zu ihr durch.
Sie entfernte die Möbel wieder und öffnete dann vorsichtig die Falltür. Marcel lag auf dem Boden. Er schien bewusstlos.
Julia stieg vorsichtig die Leiter herunter und ließ sich fast lautlos neben ihn fallen. Sie hielt einen Finger unter seine Nase. Sie spürte seinen Atem. Ruhig, um ihn bloß nicht aufzuwecken, schlich sie den Flur zur Treppe entlang. Sie ging nach unten, hastete ins Wohnzimmer und packte das Handy, das sie auf dem Couchtisch hatte liegen lassen. Dann ging sie zur Haustür. Sie nahm die Schlüssel, die am Haken neben der Tür hingen, trat nach draußen und schloss ab. Erst dann wählte sie den Notruf.
Notruf Zentrale“, meldete sich eine Stimme.
„Mein Name ist Julia Pohl, mein Bruder hat meine Eltern ermordet und glaubt ein Werwolf zu sein.“

„Hat Ihr Bruder regelmäßig die Medikamente genommen?“, fragte der Arzt.
„Nein“, antwortete Julia. „Er hat sie eine Zeit lang nicht mehr genommen, dann habe ich ihn letztens darum gebeten und er hat wieder angefangen.“ Der Arzt notierte es.
„Welche Zeitspanne liegt zwischen Ihrer Bitte und seiner Behauptung ein Werwolf zu sein?“
„Zwei Tage, zwei Nächte.“
„Hat er schon mal behauptet, er sei ein Werwolf?“
„Ja.“
„Wann?“, wollte der Arzt wissen.
„Keine Ahnung!“ Julia schüttelte den Kopf. „Vor zwei Monaten?“
„Wie haben Sie reagiert?“
„Ich habe gelacht“, sagte Julia. „Ich hielt es für einen Witz“, erklärte sie.
„Wie lange war Ihr Bruder in der Überzeugung ein Werwolf zu sein?“
„Ich weiß es nicht genau!“, schrie Julia aufgebracht. Sie atmete ein paarmal tief durch und beruhigte sich wieder. „Er wurde bewusstlos bevor ihn die Überzeugung verlassen hat.“
„Wie wurde er bewusstlos?“
Julia stöhnte genervt. „Das habe ich schon der Polizei und den Sanitätern erklären müssen.“
Der Arzt sah sie an, sagte aber nichts.
„Er ist die Leiter runtergefallen“, murrte sie schließlich.
„Wie hat er Ihre Eltern getötet?“
Julia kamen die Tränen. Sie schaute zur Decke, blinzelte ein paarmal und unterdrückte sie. Sie sah wieder den Arzt an als sie antwortete: „Meine Mutter wollte gerade mit einem Fleischmesser einen Braten anschneiden. Er hat dieses Messer benutzt und es ihr mehrmals in den Bauch gestochen. Danach hat er mit der gleichen Waffe meinem Vater die Kehle durchgeschnitten.“ Das hatte ihr die Polizei gesagt. Den Mord an ihrem Vater hatte sie nicht gesehen, aber die Wunde war eindeutig gewesen.
„Wie hat er sich während seiner Überzeugung verhalten?“
„Wie ein Wolf. Er hat zum Beispiel geknurrt. Einmal hat er sogar gebrüllt, was für einen Wolf ja wohl eher untypisch ist.“ Sie sah nach unten und spielte mit ihren Fingernägeln.
Der Arzt notierte alles und sah anschließend das Gesamtbild seiner Notizen an.
„Dies scheint ein klarer Fall von Lykanthropie zu sein.“
Julia sah wieder hoch. „Wa-Was ist das?“
„Lykanthropie beschreibt die Wahnvorstellung, sich in ein Tier zu verwandeln. Meistens in einen Hund, eine Katze, einen Tiger oder, wie in diesem Fall, einen Wolf.“
„Mein Bruder hat meine Eltern ermordet, weil er wirklich dachte, er sei ein Wolf?“
„Ja. Es gab mal ein Fall indem eine Mutter ihren Sohn umbrachte. Sie sagten, Ihr Bruder hätte sich wie ein Wolf verhalten?“ Der Arzt sah sich nochmal seine Notizen an.
„Ja“, bestätigte Julia.
„Genau. Knurren und brüllen. Er musste wohl die Wahnvorstellung gehabt haben, eine größere Version eines Wolfes zu sein, der aufrecht stehen und zudem brüllen kann.“
„Aber wie kommt das?“, fragte Julia.
„Lykanthropie ist in äußerst seltenen Fällen ein Begleitsymptom von Schizophrenie, was bei Ihrem Bruder vor einigen Jahren bereits diagnostiziert wurde, aber das wissen Sie bereits.“
Julia schluckte und nickte. „Könnt ihr ihn heilen?“
„Wir können es auf jeden Fall lindern. Wir werden ihn bei uns in der Psychiatrie behalten. Die Einnahme der Medikamente wird bewacht und sollte es nicht helfen, werden wir auf andere Behandlungsmethoden zurückgreifen. Wir werden sie über seine Fortschritte auf dem Laufenden halten.“
Julia nickte und wischte die kommenden Tränen weg. „Sorgen Sie einfach nur dafür, dass er wieder normal leben kann.“

 




Envoyé: 22:42 Thu, 15 March 2018 par: Rollinger Caroline