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Braun Laurence

Wunderschöne Gesellschaft

 

Im Bus nach der Schule spüre ich wieder die Blicke, welche mich erst abtasten und dann abschweifen. Blicke, welche mich abwertend mustern, Blicke, welche mich ungläubig ansehen, oder mir gar ängstlich entgegen schauen. Man sieht mich ohne Scham an, doch wage ich es dann zurückzuschauen, wird der Kopf schnell weggedreht. Ich weiß, dass mein Aussehen nicht unbedingt den Normen der Gesellschaft entspricht, und versuche die Blicke zu ignorieren, doch es ist nicht immer leicht. Wie auch? Pinke Haare mit grünen Strähnen, ein Stecker in der Nase und in jedem Ohr ein Tunnel, dazu noch ein eher extravaganter Kleiderstil, der nicht alltäglich in unserer Gesellschaft ist, und vollendet ist eines der Rezepte, welches dich zum Außenseiter schmiedet.

Alles was nicht den unausgesprochenen Regeln entspricht, wird als fremd und unnatürlich abgestempelt. Wie sollen  dann Menschen wie ich sich ohne Zögern und ohne Angst vor schiefen Blicken auf die Straße trauen? Die Angst und Vorsicht sind meine ständigen Begleiter, ich verlasse das Haus nicht ohne sie. Auch in meinem Freundeskreis falle ich auf, da die anderen normal wirken, keine bunten Haare, keine Stecker im Gesicht, höchstens in den Ohren, und dazu der Kleiderstil eines durchschnittlichen Jugendlichen. Doch was ist heutzutage normal? Wer stellt die Normen auf, denen man sich anpassen muss, um dazuzuzählen? Warum muss man gewisse Bedingungen erfüllen um dazuzugehören? Meine Freunde geben mir nie das Gefühl anders zu sein, doch bin ich alleine unterwegs, fühlt es sich sofort ganz anders an. Warum? Warum ist es einem nicht gestattet, sich so wohl zu fühlen und so zu leben, wie man es gerne tun würde?

Kleine Kinder sind  die angenehmsten Beobachter, sie blicken dich ohne Scheu an und dies nicht weil du anders bist, sondern weil sie sich für alles und jeden interessieren, und alles mit Begeisterung aufsaugen. Ab dem Alter eines Jugendlichen wird es dann schon deutlich unangenehmer, es wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt und teilweise mit dem Finger auf einen gezeigt. Auch im höheren Alter ändert sich das nicht, nur zeigt man nicht mehr unbedingt mit dem Finger auf einen.

Es wird immer gesagt, man solle sich so anziehen wie man möchte, man solle keine Angst haben übergewichtig zu sein, man solle seinen Körper in jeglicher Hinsicht so akzeptieren wie er ist, doch wie soll man all dies tun, wenn an jeder Ecke der Finger auf einen gerichtet wird? Wenn getuschelt wird, wenn man mit einem gleichgeschlechtlichen Partner an der Hand durch die Straßen spaziert? Wenn fiese Bemerkungen gemacht werden, wenn man nicht die neuste Markenhose trägt, oder einem die stechenden Blicke der Passanten auffallen, wenn man sich traut etwas Engeres anzuziehen, auch wenn man vielleich, laut der unausgesprochenen Norm, nicht den Körper dafür hat? Wie soll man sich selbst akzeptieren, wenn man jeden Tag leidet, nur weil man man selbst sein will?

Man kann erst anfangen sich selbst wertzuschätzen, wenn man von anderen bestärkt anstatt erniedrigt wird. 

 

 




Envoyé: 18:28 Mon, 11 February 2019 par: Braun Laurence