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George Lisa-Marie

Weggelaufen



„Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich muss weg.“

14:30 Uhr. Bald klingelt es, bald kann ich raus.

Die Zeit scheint still zu stehen. Während ich wie besessen auf die Uhr schaue, scheint jedes Uhrzeigerticken Jahre zu dauern. Ich sehe nur noch die Uhr. Alles andere wirkt schwarz.

14:34 Uhr.

"Lisa?!?" Plötzlich werde ich aus meiner kleinen Welt gerissen, mein Herz steht kurz still. Ich brauche ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass ich wieder in der realen Welt bin.

"Hallo? Die Lehrerin hat dich was gefragt!" W- warte was? Nein. Kann doch nicht sein. Das hätte ich doch mitbekommen, oder? Alle starren mich an. Kein einziges Wort bring‘ ich raus.

14:35 Uhr. Es klingelt.

Wortlos verlasse ich das Klassenzimmer. Vor den ganzen Bussen bin ich jetzt aber ratlos. Ich geh‘ nicht nach Hause. Ich kann nicht. Will nicht. Ich steige in einen Bus. Der Bus, der nach Norden fährt, ich wohne südlich der Schule. Mir war bewusst, dass es der falsche Bus war, aber ich konnte diesen inneren Willen nicht ablehnen. Man sieht mich komisch an. Noch nie bin ich mit diesem Bus gefahren, ist ja klar.

Ich setze mich an ein Fenster, irgendwie hindert mich mein ganzer Körper daran mich umzusetzen. Ich kann einfach nicht aufstehen. Also bleib‘ ich sitzen. An dem Fenster. Die Fensterseite, an der alle meine "Freunde" auf ihren Bus warten. Ihre Blicke quälen mich. Durchbohren mich. Noch nie hab‘ ich so einen großen unbeschreiblich schmerzhaften Schmerz verspürt. Ich halte das nicht mehr aus. Möchte den Vorhang zuziehen. Aber ich kann meinen Arm nicht heben. Es geht einfach nicht.

Verzweifelt schließe ich meine Augen und reise in meinen Gedanken in eine andere Welt. Eine Welt voller Glück und ohne Qual. In meine kleine perfekte Scheinwelt.

Bis plötzlich alles verdunkelt. Schwarz. Leer.

Die Dunkelheit kommt. Selbst hier holt sie mich ein. Die Dunkelheit von der ich täglich weglaufe, mit der ich jeden Tag zu kämpfen habe. Kein Tag an dem ich verschont bleibe. Und jetzt. Jetzt sitzt sie mit mir im Bus. Und ist so nah wie noch nie zuvor, selbst in meinem Kopf bin ich nicht mehr sicher.

Überall Dunkelheit und ich kann ihr nicht mehr entkommen. Sie reißt die Wände meiner Scheinwelt zusammen. Wie Glasflaschen zerspringt alles in kleine Scherben.

Jeder hasst mich. Einfach alle. Sogar die Personen, die ich meine Freunde nenne. „Stirb“

Immer wieder höre ich ihre Stimmen. Als wäre ich besessen. „Stirb“

Am Anfang machen sie mich traurig, später wütend. Warum denke ich an sowas?! Das sind meine Gedanken! Ich denke an was ich will! Nicht an sie. Definitiv nicht an sie.

Mein Kopf schreit. 1000 verschiedene Stimmen. Ich erkenne keine davon. Außer ihre.

Ihre fucking Stimmen! Jedes Wort von ihnen ist wie ein Messer das mich schneidet. „Stirb“

Warum ich? Was soll ich tun? Wenn selbst meine eigenen Gedanken mich verletzen? Wenn sogar meine Scheinwelt wie eine Glaskugel zerbricht. „Stirb“

 




Envoyé: 21:44 Mon, 12 March 2018 par: George Lisa-Marie