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Rollinger Caroline

Jagdtrieb



Es war finstere Nacht. Der Vollmond stand hoch am Himmel. Ein Wolf tappte leise über die vertrockneten Blätter auf dem Waldboden. In der Ferne war ein Heulen zu hören. Der Wolf blieb stehen und horchte auf. Nach wenigen Sekunden erklang es wieder. Der Wolf antwortete und rannte in die Richtung aus der das Heulen gekommen war.

Der Boden unter Cayden war hart, ein wenig gefroren. Die abgefallenen Blätter des Herbstes erweichten den Untergrund kaum merkbar. Ein kalter Wind glitt über seine nackte Haut. Er zitterte. Als der Wind nachließ, öffnete er die Augen. Um ihn herum lagen noch ein halbes Dutzend andere Menschen. Alle nackt. Einige übergaben sich. Auch Cayden war kurz vor dem Erbrechen, unterdrückte es aber.
Schwere Schritte traten zwischen den Bäumen hindurch und ließen ein Bündel Kleidung neben einen Mann fallen, welcher gerade am Kotzen war.
„Los Kadetten, zieht euch an oder wollt ihr nackt nach Hause gehen?“ Neben jeden wurden Kleider geworfen. Schließlich auch bei Cayden. „Alles klar, Welpe?“
Zur Antwort erbrach er sich. Der Mann drehte sich zu einem Mädchen, Stephanie, seines Alters. „Und bei dir? Schon gekotzt?“
Sie war ganz bleich im Gesicht, lag auf der Seite und nickte.
Cayden richtete sich langsam auf und zog die Kleider an. Sie waren eine Nummer zu groß, aber das machte nichts. Im ganzen Wald waren Kleider in allen Größen versteckt. An jedem Vollmond trafen sie sich, legten die Kleider ab und platzierten sie an einem Ort, den sie sicher wiedererkennen würden, aber nur schwer zu finden war. Dann verwandelten sie sich in Wölfe, zogen als Rudel los und wachten irgendwo auf. Keiner konnte vorhersagen wo, denn in dieser Zeit vergaßen sie alles und verloren die komplette Kontrolle. Deshalb gab es die Kleiderbündel. Sie wachten alle zur ungefähr gleichen Zeit auf, aber der Anführer war immer ein bisschen früher dran als der Rest. Der ging die Kleider dann holen. Das Kotzen war eine übliche Prozedur, da sich bei einer Verwandlung im Innern des Körpers so viel veränderte.
Ihr Anführer, Zacharias, wandte sich wieder an Cayden. „Du warst gestern Nacht zu spät.“
„Ich weiß“, erwiderte Cayden. „Ich wurde aufgehalten.“
„Gut, dass du wenigstens in der Nähe warst. Wölfe, die alleine unterwegs sind, erwischt es meistens zuerst.“ Er klopfte mir auf die Schulter. Ich nickte. „Also gut Leute“, rief er an die Gruppe gewandt. „Verschwindet von hier, bevor die Jäger kommen. Hinterlasst so viele falsche Spuren und so wenig richtige wie möglich.“
Die Jäger bestanden aus einer Gruppe Menschen, welche von der Existenz der Werwölfe wussten. Da diese sich bei Vollmond nicht kontrollieren konnten, kam es schon mal zu einem tödlichen Überfall und aus diesem Grund wollten die Jäger sie auslöschen.
Die ersten torkelten in alle Richtungen davon. In den ersten fünf Minuten einer Zurückverwandlung war einem noch übel und die Sicht war verschwommen. Man hatte Cayden erzählt, es würde nachlassen. Nach ungefähr fünf bis sieben Jahren.
Er machte sich auch auf den Weg nach Hause. Stephanie holte ihn auf. Sie war noch nicht oft dabei gewesen. Erst dreimal. Cayden fand dies ziemlich ungewöhnlich. Die erste Verwandlung setzte bei den Menschen die das Gen hatten, zu den unterschiedlichsten Zeiten ein. Der Durchschnitt lag bei ungefähr 13 Jahren. Und nach der ersten Verwandlung dauerte es meist nur wenige Monate bis man ein Rudel fand. Sie war allerdings schon in seinem Alter und entweder war ihr altes Rudel tot oder sie hatte lange gebraucht, um eines zu finden.
„Hallo“, begrüßte sie ihn. Obwohl sie erst dreimal zusammen mit den anderen unterwegs waren, sah Cayden sie als eine Art Freundin. Oder eher auf der Schwelle, um eine zu werden. „Deine wievielte Verwandlung war das?“, fragte sie.
„Die 42.“, antwortete Cayden. „Und deine?“
Sie sah beschämt auf den Boden. „Die sechste.“
Erstaunt sah Cayden sie an. Das war der Grund, warum sie so spät hier aufkreuzte. Ihre Verwandlung hatte nur sehr spät begonnen. Mit 15 oder 16. Cayden hatte sich zum ersten Mal mit 12 verwandelt.
„Freust du dich auf die 60. Verwandlung? Soll ab da ja bessergehen“, ergriff sie wieder das Wort.
„Naja ... Vielleicht dauert die Übelkeit nicht mehr fünf Minuten, sondern vier Minuten und 50 Sekunden an.“
„Die Schmerzen sollen weniger schlimm sein.“
Das hoffte Cayden aus tiefstem Herzen. Die Schmerzen fühlten sich an, als würde man jeden Knochen einzeln aufbrechen und mit flüssigem Blei ausbrennen. Cayden wünschte sich jedes Mal, dass die Schmerzen ihn endlich töten würden und dem ganzen Elend ein Ende setzen. Er hatte schon mit Zacharias darüber gesprochen. Dieser hatte ihm geraten, sich bewusst, unabhängig vom Vollmond, zu verwandeln. Je öfter er es tat, desto leichter fiel es ihm. So hatte er es gelernt, aber Cayden dachte nicht einmal daran. Sich bewusst zu verwandeln war genau das Gleiche, wie die monatliche Verwandlung bei Vollmond, mit dem einzigen Unterschied, dass man sich kontrollieren und sich erinnern konnte. Und sie war freiwillig. Cayden wollte die Schmerzen aber nicht auf sich nehmen, auch wenn er dadurch früher davon loskam.
„Ich werde es machen“, sagte Stephanie plötzlich.
„Was?“, fragte Cayden.
„Mich bewusst verwandeln. Meine erste Verwandlung hat einfach zu spät eingesetzt. Ich fühle mich nicht richtig integriert ... Jeder hat schon Erfahrungen gesammelt, sogar du, nur ich nicht.“
„Wenn du meinst ...“ Er wollte sonst nichts dazu sagen. Das Thema missfiel ihm.
„Wirst du es mit mir machen?“
Er sah sie schockiert an. „Auf keinen Fall!“
„Bitte! Ich habe noch keine Ahnung von alldem! Was ist, wenn ich einem Jäger begegne?“
„Wenn du einem Jäger begegnest, stirbst nur du, weil ich nicht dabei sein werde!“
„Ach, komm schon! Jäger sind doch nach und vor dem Vollmond nicht aktiv. Bitte, ich habe Angst!“, bettelte sie. Cayden sah sie unverständlich an. Er hatte auch Angst, aber nur, wenn er sich verwandeln musste. „Bitte!“, flehte sie wieder.
„Ist ja gut!“, gab er nach. Das war unerträglich. Er konnte es nicht ausstehen, dauernd angebettelt zu werden. Wenigstens hatte das bewusste Verwandeln keine Nachteile gegenüber des monatlichen. „Ich mache es auch, aber nur einmal ... danach redest du nie wieder davon!“

Cayden sah über das Gartentor. Wie es schien, hatte er sich einen schlechten Zeitpunkt ausgesucht, um Zacharias aufzusuchen. Dieser hatte gerade Besuch. Cayden wollte wieder gehen, doch da hatte er ihn schon entdeckt. Zacharias unterbrach sein momentanes Gespräch und lief auf Cayden zu.
„Welpe? Was machst du hier?“
„Nichts, ich ... ich komme einfach später wieder.“
„Nein, schon gut.“ Zacharias kam vors Gartentor. „Komm mit.“ Er führte Cayden durch die Vordertür ins Haus und setzte sich mit ihm ins leere Esszimmer. „Setz dich“, bat Zacharias. „Sag mir, was los ist.“
Cayden setzte sich an den großen und noblen Tisch. „Stephanie hat mich gebeten, mich mit ihr bewusst zu verwandeln ... Ich habe zugesagt.“
„Das ist gut!“, fand Zacharias. „Das ist ein großer Fortschritt. Es wird dir helfen.“
Cayden sah ihn an. „Ich weiß nicht ... Ich habe Angst.“
„Wovor?“
„Dass ich mich nicht zurückverwandele. Die umgekehrte Verwandlung muss doch genauso wehtun! Durch dieses Wissen traue ich mich vielleicht gar nicht.“
„Es wird wehtun, aber glaub mir, du traust dich. Wenn du es schaffst, dich bewusst in einen Wolf zu verwandeln, dann wird die Zurückverwandlung kein Problem sein.“
Cayden nickte zögernd. Da war was dran.
„Warte hier.“ Zacharias verließ den Saal und kehrte nach nur einer Minute wieder zurück. Er legte eine Pistole auf den Tisch. „Sie ist mit Silberkugeln gefüllt. Versteckt sie und haltet euch immer in der Nähe auf. Sollten die Jäger einen von euch erwischen, dann erschießt das arme Schwein. Denn was die mit einem lebenden Werwolf machen, ist schlimmer als der Tod.“
Ich sah Zacharias an. „Ich könnte das nicht.“
„Ich konnte es auch nicht ... Danach hatte ich es bereut.“

Stephanie lief durch den Wald, Cayden direkt hinter ihr. Er hätte niemals ahnen können, wie frei es sich anfühlte, ein Wolf zu sein. Stephanie und er hatten sich nun schon zum achten Mal bewusst verwandelt, innerhalb von zwei Wochen. Die Beziehung zu ihr hatte sich zu einer guten Freundschaft entwickelt.
Sie lief voraus, drehte sich einmal zu ihm um und schaute dann wieder nach vorn. In dem Moment wurde sie plötzlich von einem Pfeil am Bein getroffen. Sie knickte ein und fiel hin. Abrupt blieb Cayden stehen. Da schoss ein zweiter Pfeil direkt an ihm vorbei. Sofort machte er kehrt und rannte zurück. Er lief einen Hügel hoch, der auf der anderen Seite leicht talwärts ging. Er schlitterte ihn genau von der Spitze aus hinunter und verwandelte sich währenddessen zurück. Er biss in den erstbesten Ast, damit er durch die Schmerzen nicht schreien konnte. Als er wieder ein Mensch war, schmiss er den Ast weg, kroch etwas nach vorne und griff mit der Hand in einen Bau, welcher unter den Wurzeln eines Baumes von einem Tier gegraben wurde. Er nahm die Waffe heraus, die er dort mit Stephanie versteckt hatte. Er packte zudem seine Kleider und stand auf. Nachdem er sich angezogen hatte, wollte er zurücklaufen, doch es war nicht nötig.
Cayden hörte Stimmen und legte sich sofort wieder hin. Sein Herz begann ihm bis zum Hals zu schlagen. Ungefähr zehn Männer und Frauen traten in sein Blickfeld. Sie hatten Stephanie in ihrer Menschenform dabei. Cayden zielte auf sie. Die Hände zitterten. Er versuchte sich zu beruhigen. Vergeblich. Er entsicherte die Waffe, den Finger auf dem Abzug. So sehr er sich Mühe gab, abzudrücken, er konnte sich nicht überwinden.
Er musste an seine Aufnahme im Rudel denken.
„Du bist nun Teil der Familie, Cayden.“ Zacharias drückte fest seine Schulter. „Hier gibt es kein Alpha, Beta oder Omega, sondern nur uns! Und wir behandeln uns auch dementsprechend. Du gehörst dazu.“
Eine Träne rann seine Wange runter. Er richtete blitzschnell das Visier auf jemand anderen und drückte ohne zu zögern ab.
Der Mann sackte zusammen. Große Aufruhr machte sich breit. Sofort begannen die Restlichen zu laufen. Das mussten sie gar nicht. Cayden war nicht in der Lage ein weiteres Mal zu schießen, obwohl er noch genug Kugeln im Magazin hatte. Er fühlte gar nichts und das machte ihm Angst.
Als alle weg waren, stand er auf und ging zur Leiche. Er hatte den Kopf nur knapp getroffen. Er schoss nochmal in den Schädel. Und nochmal. Bis das Magazin alle war.
Danach ließ er die Waffe fallen.

„Was ist passiert?“
Nach dem Vorfall hatte Cayden Zacharias angerufen. Er hatte sofort das Rudel mitgebracht.
„Die Jäger haben sie erwischt“, erzählte Cayden. „Ich konnte sie nicht erschießen ... Deshalb habe ich den da erschossen.“ Er deutete auf die Leiche vor ihm. Die anderen folgten seinem Blick.
„Du hast ihn erschossen?“ Zacharias sah wieder Cayden an. „Da sind ziemlich viele Kugeln in seinem Schädel.“
„Zwölfmal hält besser“, erwiderte Cayden. „Vielleicht hat er die anderen elf Kugeln überlebt.“ Er wusste selbst, dass das absurd war, aber er konnte nicht sagen, warum er das ganze Magazin abgeschossen hatte. Er wollte einfach sicher sein, dass der Typ tot war, nie wiederkehren könnte und sein Gesicht durch die Kugeln so verunstaltet war, dass er keines mehr hatte.
„Stephanie ist jung“, sagte Jasper, Caydens bester Freund aus dem Rudel. „Sie ist leicht zu brechen. Wir müssen sie finden.“
„Na zum Glück haben wir den da.“ Zacharias stieß mit dem Fuß gegen die Leiche. „Wir werden herausfinden, wer zu seinen Leuten gehört. Und dann finden wir sie. Haltet eure Handys bereit. Wir schlagen so früh wie möglich zu.“

Es hatte eine Woche gedauert bis sie herausfanden, aus welchem Jägerclan der Tote war. Und das auch nur, weil sie zwei Werwölfe im Rudel hatten, die sich mit den einzelnen Clans auskannten. Durch den Arbeitsplatz und Wohnort des Toten hatten sie die Möglichkeiten auf drei Clans eingrenzen können. Diese wurden dann so lange observiert, bis sie klare Anzeichen auf die Gefangennahme eines Werwolfes gaben. In diesem Fall zeigte sich dieses durch den Transport von rohem Fleisch in eine leerstehende Lagerhalle am Ortsrand. Es schien ein Klischee unter den Jägern zu sein, dass Werwölfe nur rohes Fleisch aßen, aber es stimmte nicht. Das taten sie in ihrer Wolfsform, wenn sie ein Tier erwischten, sonst nicht.
Nach der Bekanntgabe, wo sich Stephanie höchstwahrscheinlich befand, trafen sie sich alle am Abend in der Nähe.
„Was macht der hier?“, fragte Zacharias als er Cayden sah.
„Ließ sich nicht abschütteln“, erklärte John, welchem Cayden gefolgt war. Zacharias sah den Jungen daraufhin an.
„Dass Stephanie da drin ist, ist nur eine Vermutung. Sie könnten auch einen anderen Werwolf dort halten. Ich hoffe, das ist dir klar.“
„Ja, verstanden.“ Cayden nickte.
„Gut ... Und egal was passiert, du bleibst in deiner Wolfsform. Sie dürfen nicht wissen, wer du bist, okay?“
„Okay.“
„Er könnte sich doch zeigen, wenn sie ihn töten wollen“, erwiderte Jasper. „Die Jäger töten keine Werwölfe, die noch unter 21 Jahre alt sind. Nur dazu müssen sie wissen, dass er noch so jung ist.“
„Wenn sie ihn kriegen, werde ich ihn erschießen“, sagte Zacharias. „Er wird danach nie wieder normal leben können. Das wird Steph auch nicht und sie ist erst eine Woche da drin.“ Er sah zur Lagerhalle. „Jasper, du wirst schauen, wo du die Aufnahmen der Kameras löschen kannst. Sie dürfen nicht erfahren, wer wir sind.“
„Geht klar.“
Die Lagerhalle war groß, bestand aus mindestens drei Teilen. Laut eines Bauplans war der größte Teil ganz rechts, also würden sie zuerst dorthin gehen. Jasper nahm an, dass sich die Aufnahmen in einem Nebenraum befanden. Dafür müsste er in eine andere Richtung.
„Cayden, verwandele dich. Der Rest entscheidet selbst, was er lieber hat. Und du Jasper, passt gut auf, dass sie dich nicht erwischen. Du bist auch noch zu jung.“
„Geht klar. Ich krieg das hin.“ Jasper war 19, hatte sich allerdings schon mit neun zum ersten Mal verwandelt. Cayden konnte sich diesen Schock nicht mal vorstellen. Er war mit zwölf schon komplett überfordert gewesen. Man konnte dafür aber sagen, dass Jasper Erfahrung hatte und zwar jede Menge. Auch was die Jäger anging.
Cayden nahm einen kleinen Holzblock in den Mund und biss darauf. Dann verwandelte er sich. Drei andere taten es ihm gleich.
Cayden stellte sich neben die anderen.
„Ihr wartet, bis wir unten sind. Erst dann folgt ihr.“ Zacharias und die anderen, die in Menschengestalt geblieben waren, gingen vor. Sie erreichten die Tür und kontrollierten, ob sie offen war. Geschlossen. Zacharias deutete mit einem Wink seiner Hand, dass die Wölfe nun kommen könnten. Sie liefen gemeinsam los. Zwei warfen sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen die Tür und brachen sie auf.
Sie betraten einen kleinen Gang.
„Ich gehe da vorne nach links“, sagte Jasper und deutete auf eine Tür. Zacharias reagierte mit einem Nicken. Jasper nahm eine Pistole, entsicherte sie und ging los. Das Rudel wartete bis er vorsichtig in den Raum hinter der Tür geschaut hatte und dann dahinter verschwand.
Zacharias und John gingen zur Tür vorne rechts. Zu ihrer Überraschung lehnte sie bereits an. Sie stießen sie ein paar Zentimeter auf.
„Was siehst du?“, fragte Zacharias John flüsternd.
„Drei Leute.“
„Drei Leute nur? Der Rest wird wohl nicht in deinem Blickwinkel sein.“
Einer der Wölfe begann leise zu knurren.
„Ruhig Cayden“, versuchte Zacharias ihn zu beruhigen. Das Knurren wurde zu einem Brummen.
„Er riecht Stephanie“, erkannte John. „Sie waren letztens öfters zusammen, ihr Geruch müsste ihm bekannt sein.“
„Gut, bereitet euch vor.“
Jeder zog eine Waffe. Cayden stellte sich genau vor die Tür. John und Zacharias stießen sie gemeinsam auf und waren die ersten im Raum. Sie feuerten jeweils eine Kugel ab. Den Dritten erwischte Cayden. Er sprang hoch, biss ihm in die Kehle und brach ihm mit einem Fall zu Boden das Genick. Die restlichen Drei waren erledigt als Cayden aufsah.
„Nur sechs Leute?“ John sah sich um und kontrollierte sogar die Decke. „Das kann nicht sein ... Das sind schlichtweg zu wenige.“
Am Ende des Raumes war Stephanie. Sie hing bewusstlos in Ketten und war blutüberströmt. Zacharias nahm den Schlüssel von einem der Toten und befreite sie. Er hob sie hoch und genau in dem Moment fiel ein Schuss. Alle blickten nach links, wo Jasper verschwunden war. Cayden und John reagierten am schnellsten. Sie liefen sofort los. Cayden war zuerst da. Jasper kam gerade aus einer Nebentür und wäre fast in den Wolf gerannt. In seinem Gesicht war Blut. John kam sofort nach Cayden an.
„Alles okay?“, fragte dieser.
„Ja ... Da hat mich einer der Jäger von hinten überrascht. Ich habe ihn erschießen können.“
„Gut. Lasst uns gehen. Hier stimmt etwas nicht.“ Eilig verließen sie die Lagerhalle. Die anderen folgten, als sie sahen, dass Jasper noch lebte. Nachdem sie dort ankamen, wo sie anfangs standen, verwandelte Cayden sich zurück, zog sich an und gesellte sich dann zu Zacharias und Jasper. Diese standen beieinander, als das Rudel anhielt, um zu warten bis die anderen sich zurückverwandelt hatten.
„Was ist los?“, fragte Cayden als er die ernsten Gesichter sah.
„Sechs Leute sind zu wenig“, erklärte Zacharias.
„Und die Kameras waren die ganze Zeit ausgeschaltet“, fügte Jasper hinzu. „Ehrlich, irgendwas ist faul. Sogar der Typ, der mich überrascht hat, war seltsam. Er hatte die Pistole gegen meinen Kopf gerichtet, sie entsichert, hat aber nicht abgedrückt. Kein Idiot wartet noch bis er abdrückt, das hat ihn sein Leben gekostet! Ungewöhnlich war auch, dass auf dem Weg zum Raum keine Menschenseele war! Ich drehe hier durch, das kann alles doch gar nicht sein. Es war zu einfach!“
„Es ist auf jeden Fall etwas faul. Wir können wohl nichts Anderes tun, als Abwarten und achtsam sein.“
„Wir sollten sie auf einen Chip untersuchen.“ Cayden deutete auf Stephanie in Zacharias Armen.
„Gut. Ich mache das. Ihr solltet nach Hause gehen.“

Einige Tage vergingen, ohne dass etwas geschah. Stephanie wurde im Krankenhaus gesund gepflegt. Den Eltern hatten sie gesagt, sie sei bei einem Spaziergang im Wald einen Abhang hinuntergefallen und die Äste hätten ihren Sturz genug abgefedert, um sie vor dem Tod zu bewahren. Den Ärzten erzählten sie das Gleiche. Aus diesem Grund wurden die Wunden nicht weiter untersucht.
Nachdem Stephanie aufgewacht war, hatte sie Cayden zu sich gerufen. Sie hatte sich bei ihm bedankt, weil er geholfen hatte, sie zu retten, sie hatte aber nicht erzählt, was ihr in der Lagerhalle passiert war. Cayden war es auch egal. Hauptsache Stephanie wurde gesund.
Während ihrer Genesung wuchs Jaspers Unruhe. Zacharias hatte ihm versichert, es gäbe keinen Chip, um ihn zu beruhigen, aber er hatte damit genau das Gegenteil bewirkt. Später erfuhr das Rudel, dass Jasper einmal bei Stephanie zu Besuch war. Nicht, weil er sie besuchen wollte, sondern um sie zu fragen, warum es so einfach gewesen war, sie zu befreien. Genaueren Angaben nach, soll er sie angeschrien haben. Cayden konnte das gut glauben. Wenn Jasper ein ungutes Gefühl hatte, setzte er alles daran, herauszufinden, was los war. Die Ärzte hatten ihn dann rausgeschmissen und Zacharias war fast ausgeflippt. Er konnte Jaspers Verhalten verstehen, aber nicht gut heißen.
Es war schon tief in der Nacht, als Cayden plötzlich eine Nachricht von Stephanie bekam. Ein Hilferuf mit Standort.
Er lief sofort hin. Er traf das ganze Rudel an.
„Was ist los?“, fragte er.
„Irgendwas mit Steph, aber wir wissen nicht, wo sie ist.“
„Wo ist Jasper?“, fragte Zacharias. Keiner hatte eine Antwort. Plötzlich fielen mehrere Schüsse. Die Hälfte des Rudels fiel um. Darunter auch Zacharias.
Cayden sah ungläubig auf die Leichen vor ihm. Blut lief über den Waldboden. Durch den Schock war er unfähig sich zu bewegen. Schreie erfüllten die Nacht. Cayden konnte nur vage die hektischen Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrnehmen. John erschien vor ihm und schrie etwas. Cayden sah ihn an.
„Lauf!“, schrie John. „Verfickt, lauf endlich!"
Sofort rannte Cayden los. Er wusste nicht genau wohin. Er stolperte und fiel auf den kalten Boden. Er landete auf allen Vieren. Als er hochsah, blickte er genau in die Mündung einer Pistole.
„Steph?“, fragte er.
Sie sah ihn an, Tränen in den Augen. „Es tut mir leid.“
„Warum?“, fragte Cayden ungläubig.
„Du kannst nicht glauben, was sie mir angetan haben ... Sie haben mir versprochen, mich am Leben zu lassen, wenn ich euch verrate.“
„Du hast dein eigenes Rudel ermordet?“
„Nein! Nein!“ Stephanie schüttelte den Kopf. „Sie haben sie getötet. Die Jäger. Ich habe sie nur zusammengerufen.“
„Du bist für ihren Tod verantwortlich! Du hast sie verraten! Deine eigene Familie!“ Tränen rannen Caydens Wangen hinunter.
„Ich habe sie nicht getötet“, murmelte Stephanie. „Sie sagten, sie würden aufhören mir wehzutun, wenn ich ihnen helfe, euch zusammenzukriegen. Dann haben sie irgendwelche Verbrecher als Opfer hingestellt, es euch absichtlich einfach gemacht und dann habe ich getan, was sie verlangten ... Sie wussten wo ich wohnte, was hätte ich denn tun sollen?“, schrie sie verzweifelt.
„Sterben ... Du hättest ganz einfach sterben sollen“, sagte Cayden, so ruhig wie möglich. Ihre Hand begann zu zittern.
„Jetzt tu nicht so scheinheilig!“ Sie umgriff die Pistole mit beiden Händen und zielte entschlossener auf Cayden, zitterte aber umso mehr. „Du hättest genau gleich gehandelt!“
„Nein, Stephanie, hätte ich nicht.“
„Ich habe Familie! Echte Familie, zuhause!“
„Ich auch!“, schrie Cayden. „Und die ist mir mindestens genauso wichtig wie die, die du gerade abgeschlachtet hast! Ich wäre nie in der Lage sie zu verraten, du erbärmliches Miststück!“
„Halt einfach deine Fresse!“, drückte sie zwischen zusammengepressten Zähnen aus und drückte ab.

Jasper blieb stehen und verlor den Halt als er die vielen Toten sah. Er hielt sich an einem Baum fest. Er hatte überlegt, ob er dem Hilferuf von Steph folgen sollte. Danach war er absichtlich später gekommen und als er die Schüsse gehört hatte, war er losgerannt.
Mit dem Blick streifte er einmal jeden Toten. Drei waren tot, also mussten noch drei leben. Caydens Leiche konnte er nicht sehen, weshalb er davon ausging, dass dieser noch lebte. Sofort lief Jasper los, um ihn zu finden.
Als er ihn endlich sah, kniete er auf allen Vieren und sah in die Mündung einer Pistole, die Steph in der Hand hielt. Er wollte zu ihm laufen, doch in dem Moment drückte Stephanie ab. Cayden sackte tot zusammen.
Jasper schrie. Genau zu diesem Zeitpunkt presste jemand seine Hand auf seinen Mund und unterdrückte den Schrei. Stumm rannen ihm Tränen die Wangen runter. Langsam und vorsichtig nahm die Person die Hand von seinem Mund.
Nun erschienen die Jäger hinter Stephanie.
„Gut gemacht“, lobte einer und legte seine Hand auf ihre Schulter. „Danke für deine Hilfe. Wir brauchen dich jetzt nicht mehr“, fügte er hinzu. Im Dunkel blitzte eine Pistole auf mit der er Stephanie ohne eine Sekunde zu zögern erschoss. Die Jäger lachten.
„Werwölfe sind so dämlich. Dass die wirklich glauben, wir würden ihresgleichen unter 21 Jahren nicht töten ... Das machen wir doch nur aus genau diesem Grund.“ Er sah auf Stephanie. „Um sie zu brechen und dadurch den Rest zu finden.“ Er wandte sich an die anderen Jäger. „Los, zwei müssten noch leben. Findet sie und bringt sie zur Strecke.“
„Jasper“, flüsterte die Person hinter ihm. Er drehte sich um. Es war John. „Wir müssen weg hier, los.“
Jasper bewegte sich nicht. Der Schock saß ihm tief bis in die Knochen.
„Komm jetzt. Der Rest ist tot ... Wir müssen von hier weg. Wir können nichts mehr machen.“
Jasper sah ein letztes Mal zu den Jägern. Er würde jeden einzelnen von ihnen töten. Er würde den Tod seiner Familie rächen, der einzigen, die er je hatte.
Er drehte sich ab und lief mit John davon.

 




Envoyé: 17:24 Sun, 4 March 2018 par: Rollinger Caroline