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Loes Melanie

Im Park



Florian kam nicht oft in den Park. Doch für heute Nachmittag hatte er sich mit seiner Schwester dort am Spielplatz verabredet. Seine übliche Betreuerin hatte an diesem Tag ausnahmsweise einmal nicht auf Lilli aufpassen können; und so hatte er seine nahbeiwohnende Schwester um Aushilfe gebeten. Um zwei Uhr sollte sie mit Lilli vorbeikommen und sie ihm wieder übergeben. Wie immer war Florian viel zu früh aufgebrochen, und jetzt wartete er auf der Parkbank nah am Spielplatz und sah den Kindern beim Spielen, den alten Leuten beim Flanieren und den fleißigen Studenten beim Joggen zu. Es war ein sonniger Samstag im Mai, der Rasen war frischgemäht, die Gänseblümchen sprossen und die Vögel sangen. Ein reges Treiben herrschte im Park. Schicke Damen führten ihre Hunde spazieren und frischgebackene Eltern drückten den neugekauften Kinderwagen samt Baby vor sich her. Florian hatte Glück gehabt, dass er überhaupt eine freie Bank zum Hinsetzen gefunden hatte. Dass er diese für sich allein hatte, sollte aber nicht lange so bleiben. Eine junge Frau setzte sich neben ihn; er rückte ein Stück zur Seite, um ihr Platz zu machen.

„Danke.", sagte sie lächelnd und strich sich eine blonde Haarsträhne, die sich aus ihrem locker gebundenen Zopf hatte stehlen können, hinters Ohr.

Florian nickte nur knapp. Er konnte nicht so gut mit Frauen reden; und das Exemplar, das sich keine zwanzig Zentimeter neben ihm breitgemacht hatte, war sogar recht hübsch.

Die Frau atmete tief ein und aus, sie hatte dabei die Augen geschlossen und den Kopf gen Sonne gestreckt. „Wunderschönes Wetter haben wir heute.", meinte sie schließlich.

Florian merkte erst, dass der Satz an ihn gerichtet war, als die Frau den Kopf drehte und ihm zulächelte.

„Mhh… Ja.", murmelte er.

„Kommen Sie öfter in den Park?", wollte die Frau wissen.

„Eigentlich nicht. Ich bin nur hier, weil meine Schwester mir meine Kleine bringt." Florian fühlte sich unwohl. Er hatte die dumme Angewohnheit, im Smalltalk nur verklemmt an seinem Gegenüber vorbeizuschauen, statt sich aktiv am Gespräch zu beteiligen, was die meisten Menschen bisher in die Flucht geschlagen hatte.

„Ach! Ich habe selbst einen kleinen Racker. Wie alt ist Ihre denn?", sagte die Frau.

„Sieben.", meinte Florian. Und nachdem er etwas zu lange geschwiegen hatte, fragte er: „Und Ihrer?"

„Erst fünf." Die Frau drehte sich mit dem gesamten Oberkörper zu ihm um, strich sich die vom Wind wieder losgelöste Haarsträhne erneut hinters Ohr und hielt ihm die Hand hin. „Ich bin Nina. Wir können uns ruhig duzen."

„Florian.", sagte Florian und schüttelte ihre Hand. Er war ein bisschen erstaunt. So lange hatte es noch keine Unbekannte in einem Gespräch mit ihm ausgehalten.

„Freut mich, Florian. Hast du nur eine?", nahm Nina das vorherige Gespräch wieder auf.

„Ja. Und du? Auch nur einen?"

„Leider ja. Dabei habe ich mir immer einen Spielkameraden für meinen Leo gewünscht. Aber kurz nachdem ich ihn gekriegt habe, haben mein Exmann und ich uns scheiden lassen, und ich bin mit Leo in eine kleine Wohnung gezogen. So wie das Leben halt läuft."

„Vielleicht darf ich dich ja mal zu mir einladen. Dann können Leo und Lilli miteinander spielen." Florian klopfte das Herz bis zum Hals. Er hatte die Worte ausgesprochen, noch bevor er sich darüber bewusst geworden war, was er eigentlich gesagt hatte. Er hatte eine Frau zu sich eingeladen. Eine ihm völlig fremde, charmante, junge Frau. Doch zu seinem Erstaunen erschienen kleine Lachfältchen an Ninas freundlichen Augen.

„Lilli. Was für ein hübscher Name. Es würde mich sehr freuen, wenn Leo und ich sie besuchen könnten. Die beiden werden sich bestimmt gut verstehen. Leo freundet sich immer sofort mit allen an."

Florian wuchs ein breites Grinsen ins Gesicht. Sie hatte tatsächlich zugesagt! „Ich hoffe nur, dass Lilli dann nicht zu stürmisch ist. Sie hat die Angewohnheit, das Spielen etwas zu… grob anzugehen.", sagte er frohgemut.

„Mach dir keine Sorgen. Mir geht es bei Leo genauso. Manchmal kriege ich richtige Schnappatmung, wenn er seine fünf Minuten hat und wild herumtollt. Aber das Spielen sieht oft brutaler aus, als es ist."

„Das stimmt.", meinte Florian, „Man muss die Kleinen auch mal machen lassen. Nur so lernen sie den Umgang mit anderen." Er fühlte sich inzwischen richtig selbstbewusst.

„Da hast du Recht, Florian. Manchmal habe ich das Gefühl, Leo weiß nicht wohin mit seiner ganzen Energie. Beim Spazierengehen kann ich ihn aber immer ein bisschen auspowern, die frische Luft tut ihm gut."

„Ich gehe mit Lilli jeden Tag spazieren. Auch bei schlechtem Wetter, darin ist sie unermüdlich. Im Herbst liebt sie es, durch alle Pfützen zu springen und durch den Schlamm zu waten. Und dann läuft sie dreckig durch die ganze Wohnung! Aber ich kann meinem Schatz nicht böse sein, sie ist schließlich mein Ein und Alles."

„Wem geht es nicht so? Sie sehen einen mit großen Kulleraugen an, man schmilzt dahin und schon kommen sie mit allem Unfug durch.", lachte Nina. Dann seufzte sie: „Ach, sind sie nicht ein Segen? Man kann nicht mit ihnen und nicht ohne sie."

Florian lächelte selig. Selten hatte er sich mit einem anderen Menschen so verbunden gefühlt. Er schaute Nina verträumt an, was sie aber nicht bemerkte. Erst als eine andere Frau Florians Aufmerksamkeit durch inbrünstiges Winken aus der Ferne auf sich zog, erwachte er aus seiner Starre.

Florian räusperte sich; er hatte plötzlich das Gefühl, sich an einem Stein verschluckt zu haben. „Ich muss jetzt leider los. Aber vielleicht sehen wir uns morgen?" Er stand auf und klemmte sich die mitgebrachte, aber der Wärme wegen ausgezogene Jeansjacke unter den Arm. Daraufhin stand Nina ebenfalls auf.

„Morgen klingt gut."

Sie tauschten ihre Adressen aus und verabschiedeten sich. Florian lief freudestrahlend seiner Schwester entgegen, während Nina sich wieder auf die Bank setzte, um ihrem Sohn Leo dabei zuzusehen, wie er mit einem gelben Plastikbagger im Sandkasten neben der Schaukel spielte. Hundert Meter daneben hockte sich Florian auf den Boden, sodass Lilli, seine Yorkshire Terrier Hündin, ihm begrüßend das Gesicht abschlecken konnte.

 




Envoyé: 21:34 Tue, 11 February 2020 par: Loes Melanie