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Grevis Lukas

Gischt

 

Die ersten Strahlen der Sonne strichen über die schroffen Klippen, über den weißen Sand, glitzerten verführerisch auf den wogenden Wellen. Zwei Möwen flogen kreischend übers Wasser, in der Ferne dümpelte ein weißes Segelboot. Ein Mann öffnete seine kleine Strandbar und stellte Klappstühle auf.

Ein Auto näherte sich und hielt neben der Hütte. Zwei Männer stiegen aus und grüßten den Alten freundlich. Die Beiden marschierten zum Strand und begannen die Küste abzulaufen.

Die Sonne tauchte alles in ein glühendes Rot, und das Wasser schimmerte blutig.

Gischt spritzte gegen die Beine des Mannes, bis hoch in sein Gesicht und blieb in seinem langen Bart hängen, verwischte seine Spuren im feuchten Sand.  Die Möwen waren verschwunden und nichts war zu hören, als das ewige Rauschen, nichts als das Rumoren des Ozeans.

Die suchenden Augen des Mannes verharrten an einem Punkt, bedächtig schritt er darauf zu. Als er erkannte was es war, seufzte er und rief seinen Kollegen.

Der Andere rannte rasch zu ihm hinüber, sah den Gegenstand mitleidig an, und kehrte zum Auto zurück.

Währendessen kniete sich der Bärtige ins Wasser und betrachtete den grausigen Fund. Seine Hose war feucht und nass, doch er spürte die aufkommende Kälte kaum.

Die Flut hatte einen Körper angeschwemmt, halb begraben unter schweren Algen und anderem Treibgut. Es war die Leiche eines jungen Mädchens, die Augen weit aufgerissen und das Gesicht in Todesangst erstarrt, die dunkle Haut war voll blutiger Schnitte und Wunden.

Der Mann schloss die Augen, doch er konnte die schrecklichen Bilder nicht aus seinem Kopf verbannen, er konnte sie nicht wegsperren wie ein wildes Tier und den Schlüssel im Meer versenken.

Tränen quollen unter seinen Lidern hervor und tropften ins Meer. 

Sein Freund kehrte zurück, unter dem Arm einen Leichensack aus Plastik, der bei jedem seiner Schritte ein schreckliches, quietschendes Geräusch machte. Er legte dem Weinenden eine Hand auf die Schulter, dann zogen sie das Mädchen gemeinsam aus dem Wasser. Sie befreiten es von den  Algen und schlossen seine Augen. Doch der gequälte und kämpfende Ausdruck blieb, nichts konnte ihn verwischen.

Sie legten das Mädchen in den Sack und zogen den Reißverschluss zu. Gemeinsam trugen sie die Leiche zu ihrem Wagen und luden die Ertrunkene auf die Ladefläche.

Ratternd startete der Motor und das Auto verließ langsam die Bucht. Staub wirbelte in den Morgenhimmel.

Sie fuhren an einem kleinen Wagen vorbei, eine fröhliche Familie winkte ihnen munter zu. Bald würden die kleinen Kinder an dem Strand baden, in dem wenige Minuten zuvor noch Leichen getrieben waren.

Nur am Morgen waren Palermos Strände rot, bis die Sonne am Abend sie wieder in die Dunkelheit tauchte...
 

 




Envoyé: 20:57 Tue, 13 February 2018 par: Grevis Lukas