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Biver Mex

Inquisition

INQUISITION

 

 

Damathas Baum stand dort vor ihnen, doch Wanderer aus allen Teilen des Landes angereist, waren selbst nun, da sich der Baum in seiner gesamten Pracht vor ihnen auftürmte, nicht fähig seinen Anblick in Worte zu kleiden.

  Damathas Baum, auf einem Hügel stehend, welcher von verdorrtem Gras bevölkert war, seine Wurzeln tief in die Erde dringend, eins geworden mit dem kleinen Leben in der Dunkelheit, erhob sich in den Himmel, wie ein Herrscher seine Untertanen, die Welt um ihn herum überragend, und dem Himmel näher, als ein anderes Geschöpf auf dieser Welt es jemals würde sein können, war von kreideweißer Rinde, welche im Schein der Sonne - wenn diese gelegentlich zwischen den grauen Wolken zum Vorschein kam - schimmerte, als trüge sie ein Kleid, bestückt und verziert mit einer Vielzahl winziger Edelsteine und Kristallen von reinstem Weiß. Die Äste und Zweige - weiß wie Elfenbein und hart und wunderschön wie Diamanten - streckten sich dem Himmel entgegen, als beabsichtigte der Herrscher auf seinem Hügel den Himmel und die unendliche Weite des Kosmos mit einer einzigen Umklammerung Hunderter Arme und knorriger Finger zu umschließen, eine Verbindung herzustellen zwischen  Himmel und Erde, eine Brücke zu errichten zwischen dem Hier und dem Drüben.

  Keiner der Wanderer vermochte die Schönheit zu begreifen, mit welcher der Herrscher gesegnet worden war, eine Schönheit, die in diesem Augenblick - so erschien es ihnen - auf unnatürliche Weise, die Ewigkeit überdauern könnte. Keiner der Angereisten war im Stande zu begreifen, wie es möglich sein konnte, dass der Himmel über ihren Köpfen, scheinbar mühelos, in den graziös gewundenen Armen von Damathas Baum ruhen konnte, wo seine dermaßen zerbrechlich wirkende Figur doch den Anschein erweckte, beim kleinsten Windstoß von seinem Hügel gerissen, von seinem Thron gestürzt zu werden bedroht schien.

  Umgeben von grauen Wolken und einer trostlosen Hügellandschaft stand Damathas Baum, als einziges Zeichen wahrer Schönheit, als einziger Zeuge der Vergangenheit, alles andere an Verstand und Kraft überragend, und er würde fortbestehen, würde selbst über die Ewigkeit hinaus auf seinem Hügel stehen und über sein Land herrschen, denn ein Herrscher beugte sich nicht, unterwarf sich nicht, nicht einmal der Zeit.

  Dann blitzte die Sonne auf, doch die Wanderer wandten ihre Blicke nicht ab, stattdessen rissen sie die Augen vor Freude so weit auf, dass sie aus ihren Schädel zu fallen drohten; vor Freude begannen sie zu jubeln und vor Freude streckten sie ihre geballten Fäuste gen Himmel, denn genau aus diesem Grunde waren sie scharenweise aus allen Teilen des Landes angereist. Nur um zu sehen, was sie nun sehen würden, und was sie sahen, war ein aufblitzendes, gleißendes Licht, so als hätten die knorrigen Finger von Damathas Baum, bei dem Versuch den Himmel zu halten, ein Loch in die Wolken gerissen. Licht strömte aus der klaffenden Wunde, strömte über das Grau, tauchte den Himmel in goldenes Feuer, das hoch über dem Herrscher aufloderte, auf ihn herabfiel, ihn umgab und zu einem zornigen Gott erhob.

  Zu Damathas Gott.

  Zu Damathas Zorn.

Von Flammen umgeben, im goldenen Feuer eingeschlossen, schimmerte die diamantenbesetzte Figur in den Farben des brennenden Himmels, als hätte jemand Öl darüber gegossen und es angezündet, doch zu keiner Sekunde erschien ihnen das Gewand weniger rein, als das reinste Weiß, das lediglich einem Engel zueigen sein konnte, einem Engel, der sein Flammenschwert erhoben, vom Himmel gestiegen war. Ein von Damatha gesandter Engel, ein Krieger, ein Rächer.

  Damathas Racheengel.

Er war gekommen, herabgestiegen, sein brennendes Schwert über das Haupt erhoben, und so geschah es, dass die Wanderer begriffen, dass nicht die Umarmung des Ewigen von Damathas Baum beabsichtigt worden war, sondern Empfängnis, Empfämgnis der brennenden Kraft der Vergeltung.

  Um zu sehen waren sie gekommen, sie alle, jeder Einzelne, doch gehen würde sie von Damathas Zorn vergiftet. All jende, welche das Feuer von Damathas Baum erblickten, würden als ihrer Seele beraubte Männer und Frauen und Kinder in ihre Heimat zurückkehren, um Damathas Zorn in die Welt hinauszutragen.

  Der Himmel brannte über Damathas Baum, über den Wanderern, über der Welt, dann, als sich erneut eine Wolke vor das gleißende Licht schob, elosch die Fackel und hinterließ eine Landschaft, eingehüllt in Asche, von ihr begraben. Das Feuer hatte gebrannt, vor den Augen aller hatten die feurigen Zungen ihr Werk verrichtet, denn die Erleuchtung war über die Menschen gekommen, hatte sie heimgesucht, hatte sie geführt, doch wovon sie an diesem Tage Zeugen geworden waren, entzog sich ihren Worten, war unmöglich zu begreifen. Die Fähigkeit der Verständnis war ihnen nicht zueigen, wie ihnen die Blindheit zueigen war, Blindheit, die zusammen mit Euphorie in ihren Blicken gelegen hatte, als sie das Phänomen beobachtet hatten, jubelnd und voller Freude.

  Damathas Baum hatte geschimmmert, war erstrahlt, hatte gebrannt. Doch vorbei war das Schauspiel nun, und vor den Blicken der Wanderer erstreckte sich ein gähnend leeres Grau. Die Flammen hatten Asche über das Land regnen lassen. Graue Wolken drängten sich am Himmel aneinander, ihr Gewicht auf der Erde ruhend und sie bedrängend, sie einschränkend, wie ein Sargdeckel, welcher nun alles verschloss und die Welt für die Ewigkeit in Dunkelheit hüllte.

  Die graziös gewundenen Arme, welche den Himmel gehalten hatten, waren zu verkohlten, unförmigen Stöcken verkommen, die Edelsteine waren zu rauem, grauen Gestein verkommen, das reine Weiß, welches dem Weiß eines Engels gleich gewesen war, war nun zu einer stinkenden, schmierigen und pechartigen Masse verkommen, die Untertanen des Herrschers, welche den Hügel bevölkert hatten, fanden sich unter Asche begraben wieder und rangen vergens nach Luft, und die Wurzeln, die tief im Boden mit dem kleinen Leben im Einklang gelebt hatten, spielten nun keine Rolle mehr. Es spielte keine Rolle mehr.

  Damathas Baum hatte gebrannt.

  Damatha hatte gebrannt.

Die Wanderer wandten sich ab und gingen fort.

Zurück blieb nur die Stille.

  




Envoyé: 20:33 Tue, 24 February 2015 par: Biver Mex