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Lebau Adriana Maria

Das schöne weiche Moos



Leichte Brisen lassen mein Haar mein Gesicht kitzeln, was mich etwas stört, weil diese mir den Ausblick rauben. Die Luft ist warm und trocken und wirkt ausgeglichen auf mich. Auch wenn das merkwürdig klingt, die Zeit scheint wie stehen geblieben zu sein. Ich fühle mich wie in Trance. Als würden die Menschen so schnell leben, dass es schon das Gleiche wäre als ob sie gar nicht mehr leben würden. Und ich stecke mittendrin, aber ich bin der einzige Mensch, der stehen bleibt. Ich bin allein, doch fühle ich mich nicht einsam. Ich stelle mir vor, dass jeder in die gleiche Richtung im Kreis hetzend läuft. Doch ich gehe entspannt in die entgegengesetzte Richtung. Ich bewunderte die andern, doch möchte ich nicht so sein wie sie.

Die Sonne, die gerade untergeht und den Himmel farbig scheinen lässt, blendet mir etwas unangenehm in die Augen und ich setze mir die Herzen Brille, die ich von Linda zu Valentinstag bekommen habe auf. Sie ist aus dünnem Metall und hat orange Gläser. Eigentlich passt die Sonnenbrille eher Linda wegen ihren roten Haaren. Vermutlich hatte sie mir sie gekauft, damit ich sie ihr manchmal ausleihen könnte.

Mein Po brennt etwas, wegen der Steinbrücke auf der ich gerade sitze. Ich schaue runter auf die Wälder und lasse meine Beine leicht hin und her schwingen. Ich finde ich habe schöne Beine. Sie sind schlank und etwas „sonnengeküsst“. Nur an der Seite der Wade sieht man mein Brandzeichen. Es ist ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte. Noch immer war dieses Zeichen nicht geheilt. Es hatte sich etwas entzündet und wurde eklig. Ich weiß, dass ich das Zeichnen für immer tragen werde. Es ist das Zeichen der Unterklasse. Erst seit kurzem habe ich sie. Es ist nicht üblich, dass man das Zeichen erst mit 17 bekommt. Normalerweise bekommt man es kurz nach der Geburt, doch meine Familie ist untergetaucht. Bis jetzt. Man hat uns verraten. Beziehungsweise hat man mich verraten. Es war Jad. Eifersucht kann vieles ausrichten. Ich hätte es, aber nie dazu kommen lassen sollen. Ich wusste, dass Jad mich nie zufriedenstellen könnte. Ich sollte mich nie mit ihm treffen und die Annährung, die ich eigentlich nie wollte zulassen. Aber Jad hatte auch Unrechtes getan. Er wusste, dass ich nicht auf „seines Gleichens“ stand. Damit meine ich sein Geschlecht. Er wusste es und hörte trotzdem nicht auf mein „Nein“ als er mit mir schlafen wollte. Er zog mich aus, obwohl ich mich wehrte. Er hielt mich fest und sagte mir es werde mir gefallen. Ich gab auf, weil ich keine Hoffnung sah und, weil ich auch dachte es wäre das Richtige. Diese Sau wollte nur befriedigt sein und stieg in mich ein. So ein unangenehmes Gefühl. Wie ein Tier habe ich mich gefühlt und dies werde ich nie vergessen. Solange ich lebe. Einen kalten ekelhaften Schauer spüre ich. Schluss mit den Erinnerungen!

Ich schaue in die Wälder und fange an mir vorzustellen wie ich diese Momente komplett aus meinen Gedanken sperren könnte. Würde ich jetzt herunter fallen, dann würde ich sterben. Es ist schon eine Lösung? Bis ich überhaupt den Boden treffen würde wären es sicher 20 Meter. Was würde passieren, wenn ich hier und jetzt mich fallen lassen würde? In der Luft würde ich vielleicht bewusstlos werden. Somit würde mir das Sterben leichter fallen. Mein Körper würde dann nach 10 Meter Fall auf einen Baum treffen und meine Wirbelsäule und andere Knochen würden komplett gebrochen sein, nachdem ich 30 Mal auf Äste geschlagen wäre. Endlich würde ich dann die Erde treffen.

Das schöne weiche Moos würde mein Gesicht streicheln. Ich würde meine letzten Atemzüge nehmen und somit die frische Luft einatmen. Grashalme würden mir vermutlich die Nasenhaare kitzeln. Es wäre ein friedlicher Moment und friedlicher Tod.

Ein Tropfen Regen trifft meine Nasenspitze und reißt mich aus meinen Gedanken. „Nicht heute“, sage ich mir und drehe die Beine zur sicheren Seite. Mit meinen nackten Füßen trete ich auf die schon teilweise nasse Straße, auf der kein Wagen mehr fährt, weil die Brücke gefährdet ist zusammen zu brechen. Ich fange an zu gehen.
 




Envoyé: 23:42 Fri, 31 March 2017 par: Lebau Adriana Maria