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Reuland Carmen

Karamellsommer



Flüssiges Gold fließt durch meine Finger, süß und klebrig tropft es auf die Wolken aus Zuckerwatte unter mir, sickert hindurch und benetzt das saftige Grün mit seiner Fruchtbarkeit. Ich spüre wie sich die Hitze in mir ausbreitet, der Geschmack von Karamell sich auf meiner Zunge ausbreitet und ganz langsam wird es hell. Neben mir erklingt ein Lachen. Leger in einer Toga gekleidet sitzt dort mein bester Freund und schaut mir dabei zu, wie ich mit dem Sonnenlicht spiele.

„Man könnte meinen du streichst durch das goldene Haar einer Schönheit, so verzückt wie du eben ausgesehen hast.“

Ich schmunzele und blicke nach unten, auf meine Ledersandalen. Natürlich ist der Gedanke nicht abwegig und natürlich lässt er in mir das Gefühl des unendlichen Glücks nur noch mehr anschwellen. 

„Weißt du, ja, es ist als würde ich durch die goldene Samtpracht einer irdischen Schönheit streicheln, aber mich zieht es nicht gen Boden, sondern gen Himmel. Hinauf in die Empore allen Ursprungs. Musik umspielt mich und wie warmes Wasser fließt das Glück und Sein an mir herunter, saugt sich in meine Kleidung und tränkt sie mit dem, was alles Irdische ausmacht.“

„Du spinnst. Komm wieder runter und höre auf so seltsam zu schwafeln, das ist doch nicht mehr normal.“

„Danke, jetzt ist die Stimmung futsch.“

Er lacht wieder und schaut mich mit blitzenden Augen an.

„Weißt du was zurzeit wirklich schwer angesagt ist?“

„Nein, aber ich bin mir sicher, du sagst es mir gleich.“

„Das weiß ich noch nicht. Überzeuge mich.“

Ich bespritze ihn mit karamellisiertem Sonnenlicht und warte auf seine Reaktion.

„Mensch, ist gut, hör auf. Sonst leuchte ich nachher noch tagelang und du weißt das ist nicht gut. Ich muss meine Regelmäßigkeit beibehalten, die Menschen verlassen sich auf mich.“

„Ich bin wichtiger für sie, also spiel dich nicht so auf.“

„Ach, und wer von uns beiden hat dann die Macht übers Meer? So fern ich weiß bin das immer noch ich.“

Er streckt mir die Zunge raus und lässt sich dann nach hinten auf eine Wolke sinken.

„Also, ich wollte dir doch sagen, was schwer angesagt ist diesen Sommer. Glück, pures Glück in Form von goldenem Samt.“

„Und das ist inwiefern anders als im letzten Sommer?“

„Der Unterschied liegt darin, dass diesmal du die Sonnenstrahlen webst und nicht dein vermaledeite Bruder. Er sie anbrennen lassen und es regnete Kohle auf die Erde. Du schaffst perfektes Karamell, das betörend süß schmeckt. Nachts, wenn ich meine Runden drehe, kann ich immer noch die Spuren deiner Arbeit in der Luft schmecken. Es ist atemberaubend.“

Ich erröte. Nie hatte jemand mich für mein Schaffen gelobt. Dass ich diese wertvolle Aufgabe übertragen bekommen hatte, liegt nur daran, dass mein Bruder sich an seiner eigenen Aufgabe verbrannt hatte. Und niemand sonst wollte sich den ganzen Tag dorthin setzen, die größte aller Bürden auf seinen Schultern tragen und genau das richtige Maß an Glück und Leben finden, das die Menschen unter uns brauchen. Es ist kompliziert, anstrengend, aber so wundervoll befreiend, dass ich schlussendlich doch zugestimmt habe diese Welt nicht vor die Hunde gehen zu lassen. Und vom Nachtwächter persönlich für meine Arbeit gelobt zu werden, das bringt mein Herz ins Stolpern. Denn es bedeutet, dass größere Aufgaben auf mich warten werden und dass ich zu etwas hinaufsteigen könnte, das noch nie jemand vor mir erreicht hatte.

„Dein Lächeln ist dämlich.“

„Du bist doch nur neidisch.“

„Was denn, auf deine Goldlöckchen, deine kleinen Grübchen, deine vollen Lippen, deine runden Wangen, deine so blauen Augen? Nein, ich bin zufrieden mit mir und meiner Aufgabe.“

„Nicht jedermanns Herz kann so schwarz sein wie deines.“

Ich wusste es schon bevor ich es ausgesprochen hatte. Und das Bild vor mir bringt mir nur die Bestätigung. Seine Nasenflügel beben und er stiert mich mit funkelnden schwarzen Augen an. Ich hatte mich in die Höhle des Löwen vorgewagt und musste nun zusehen da wieder raus zu kommen.

„Du weißt wie ich das meine. Außerdem ist Dunkelheit seit jeher ein Zeichen des Mysteriums und der Wunder. Kein Grund gleich wütend zu werden.“

Es blitzt und donnert und dichte Wolken verdecken meine Sicht auf ihn. Er ist wütend, sehr wütend sogar. Ich weiß nicht was ich tun soll. Nie gab es je denn Fall, dass jemand es gewagt hat ihn zu beleidigen. Panisch sehe ich um mich herum und langsam verblasst das Licht, meine Angst frisst es auf. Eine Hand legt sich auf meine Schulter und ich öffne die Augen, von denen ich nicht mal gemerkt hatte, dass ich sie irgendwann geschlossen hatte.

„Es ist gut, ich weiß dass es nicht so gemeint war. Beruhige dich und bitte lach wieder. Ich will heute Nacht nicht durch die Bitterkeit verbranntenen Zuckers spazieren müssen.“

Ich nicke und versuche mich zu beruhigen. Ich hatte ebenso überreagiert wie er.

„Komm, lass uns nach unten gehen und uns eine blonde Schönheit suchen, ich bin mir sicher du kannst jetzt eine Ablenkung gut gebrauchen.“

Und so dauert es nicht lange, bis ich durch meinen eigenen Karamellsommer spaziere und mich an dem Licht, Glück und der Freunde wie des Lebens ergötze und genieße da zu sein, zu atmen, zu existieren.




Envoyé: 09:21 Sun, 5 April 2015 par: Reuland Carmen