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Feltes Michèle

Herz statt Geld

 

Unzählige, ein Abschlussdiplom in den Händen haltende Gestalten huschten durch den riesigen Ballsaal und genossen den Abend, auf den sie so lange gewartet hatten. Die Mädchen hatten das beste aus sich herausgeholt und die Jungs stolzierten, stolz auf ihre Begleitung wie Löwen durch die Gegend. Doch nicht jeder hatte eine Begleitung bei sich oder ein teueres Designerkleid…..

Cleo genoss den Abend, wie jede andere Jugendliche, stolz auf ihre Leistungen steuerte sie auf die Schüssel, die mit rosaroten Punsch gefüllt war zu. Voller Vorfreude schenkte sie sich ein Glas aus und ließ sich von prickelnden Geschmack auf ihrer Zunge davontragen. Sie erfreute sich an jeder Kleinigkeit auf diesem Ball und war einfach nur glücklich hier zu sein. Ihre unermüdliche Ausdauer hatte Früchte getragen und dies wurde bestätigt. Auf einmal spürte sie einen dumpfen Schlag, den jemand ihr gegen ihre Schulter versetzt hatte. Da sie zuerst an ein versehen dachte wirbelte sie nichtsahnend herum um eine Entschuldigung für ihre pochende Schulter zu empfangen. Doch sie erblickte nur ein stark geschminktes Gesicht, was von einem hämischen Lächeln gespickt war. Die dunkelhaarige Schönheit, die absolute Schulprominez hatte sich gerade ihr Opfer ausgesucht. „Mach Platz Altkleidercontainer, du verdirbst bloß den ganzen Punsch“, lächelte sie mich siegessicher an. Da hatte sie sich aber gewaltig geirrt, denn heute würde sich Cleo ihre Laune nicht verderben lassen. Cleo machte keine Anstalten ihr irgendwie Platz zu machen und ihr arrogantes Lächeln verwandelte sich zunehmend in ein säuerlicheres. In ihrem Stolz gekränkt und noch immer darüber erstaunt, dass jemand ihr die Show stahl verzerrte sie ihr Gesicht so, dass man Angst hatte, die meterdicke Schicht Make-Up auf ihrem Gesicht könnte zerbröckeln. Cleo beobachtete all dies mit einer enormen Genugtuung, sie wäre nie dafür gewesen, einen Menschen schlechtes zu wollen, doch heute mussten alle offenen Rechnungen beglichen werden. Lucia McHighborn musste endlich begreifen, dass neben ihr auch andere erfolgreiche Menschen existieren. Ihre Blicke kreuzten sich und sprühten Funken. Der Blickkontakt versprühte solch eine Energie, dass sich die Atmosphäre um die beiden Mädchen herum grundlegend veränderte, die Jugendlichen, die sich zuvor prächtig amüsiert hatten standen nun da um dem Geschehen stumm zu folgen. Angriffslustig stieß Lucia Cleo beiseite ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass Cleo noch immer das halb-volle Glas Punsch in ihren Händen hielt. Wie in Zeitlupe beobachteten sie, wie das Glas aus der Hand Cleos segelte und die rosane Flüssigkeit sich über Lucias wunderschöne Seidenkleid ergoss. Das Entsetzen spiegelte sich in ihren honiggelben Augen deutlich wieder. Cleo hingegen musste  hingegen ein leichtes schmunzeln unterdrücken, dieses materielle Denken belustigte sie einfach nur. Dieses Mal sah Cleo mit einem siegreichen lächeln auf Lucia hinab, und vor allem auf den riesigen Fleck inmitten ihres schneeweißen Kleides. Er verlief von ihrer, mit cremefarbenen Rosenblüten umringten Taille bis zu ihrem mit Spitze verzierten Saum. Die Bleiche, die Lucia ins Gesicht gestiegen war verwandelte sich nach und nach in Zornesröte, ihre Lippen wurden schmal und ihre Augen traten gefährlich weit aus ihren Augenhöhlen heraus. „Weißt du kleines, dreistes Ding, was du eigentlich angerichtet hast? Mein Vater hat dieses Kleid von seiner Geschäftsreise in Dubai mitgebracht. Du hast ein Kelvin Groß Kleid ruiniert! Ist dir eigentlich bewusst, wie wertvoll es war? Es war teuerer als ein teuerer Sportwagen! Du… Du…..!!“, vor lauter Zorn fand sie keine Worte mehr, sie stammelte nur sinnlose Satzglieder vor sich hin. Die Wut, die sich in ihr aufbaute, vernichtete all die Eleganz und Grazie, die sie sonst auszustrahlen versucht. Wie eine Tsunamiwelle baute sie sich in ihr auf. „Dein Kleid war keinen Euro wert, es war gelegentlich eine Massenproduktion, angefertigt für wohlhabende Kunden. Dich verbindet nichts mit diesem Kleid.“, Cleo strich mit der Handfläche über die, von ihr selbst uneben angenähten Stoffstücke. „Ihr denkt alle nur an Marken oder nachweisbare Preise, das wird unsere Gesellschaft einestags zerstören, die neuesten Markensneaker werden für einen teueren Preis bedenkenlos eingekauft, doch die fairgehandelten, umweltfreundlichen Turnschuhe sind dann für einen etwas überdurchschnittlerischen Preis viel zu teuer. Wo bleibt die Logik? Dein Kleid mag zwar eine Ausstrahlung haben, wie kaum ein Kleid sie haben wird, doch was ist mit meinem? Während meinen unzähligen Reisen habe ich Stoffreste aus den Haushalten gesammelt, die mir ein Dach über dem Kopf geboten haben. Ich bin mit den Menschen zusammengewachsen, habe sie und ihre Geschichten kennengelernt. Mein Kleid verbindet mich mit den Leuten, die ich lieben und schätzen gelernt habe. Auch wenn es nicht schön geschnitten und quietschbunt ist trage ich es mit Stolz. In meinen Augen ist die Menschlichkeit bei dir nicht mehr vorhanden, Lucia. Doch alle deine Mitläufer und Möchtegern Freundinnen sind nicht besser! Geht es euch alle nur um Geld? Wo ist dann das Herz gebliebenen?“ Mit diesen Worten wirbelte Cleo geschmeidig herum, setzte einen Fuß selbstbewusst vor den anderen und steuerte auf den Ausgang zu. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, die unbändige Lebensfreude, die sich in ihrem Körper sammelte strahlte sie nach außen aus. Sie hatte ihre Meinung geteilt, was ihre Zuhörer mit diesen Informationen taten, war ihnen überlassen.  Für sie stand nur etwas fest, sie würde ihr Leben so leben, wie sie es für richtig empfand. Sie würde jedem seine freie Meinung lassen und doch ihre Meinung äußern ohne andere zu manipulieren. Das war ihre Denkweise.  


 




Envoyé: 21:18 Mon, 18 March 2019 par: Feltes Michèle