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Kisch  Raquel

Mittwoch, 13. Mai 2065



Mittwoch, 13. Mai 2065

Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hing Rauch in der Luft. Irgendwo trieb sich mal wieder die NA, die National Armee, herum und scheuchte wahrscheinlich einige Rebellen auf. Sowas passiert jeden Tag. Viele von uns schauen nicht mal mehr auf, wenn Schüsse fallen oder Cyborgtruppen durch die Bezirke patrouillieren.

Ich bin im Jahr 2047 im Bezirk 517 im 13. Distrikt geboren. Meine Großmutter hat mir erzählt, dass der Distrikt früher einmal die Stadt Luxemburg war. Aber das ist schon sehr lange her. Das war vor dem Großen Krieg, wie wir ihn nennen, bevor das Land dem Erdboden gleich gemacht wurde. Großmutter sagt, früher, vor mehr als hundert Jahren hätten es schon einmal zwei solcher Kriege gegeben, der erste und der zweite Weltkrieg. Nachdem die beiden Kriege vorbei waren, bauten die Menschen die Städte wieder auf und lebten ihr Leben weiter. Aber bei dem letztem Großen Krieg wurde fast die ganze Welt zerstört und mehr als die Hälfte der Menschheit ausgelöscht. Das war im Jahr 2041. Viele Teile der Erde wurden verseucht und waren nicht mehr bewohnbar. Meine Mutter, meine kleine Schwester und ich lebten bis zu meinem 16. Lebensjahr in den Trümmern eines Hochhauses. Mein Vater gehörte einer Untergrundbewegung der Rebellen an. Er und meine Mutter starben bei einer Säuberung der NA.

Als ich meine Schwester geweckt habe, bereite ich das Frühstück zu. Es gibt das Übliche: Hartes Brot, einen Teller Suppe und ein bisschen Fleisch. Das ist heute besonders schwer aufzutreiben, meistens wird es nur auf den Schwarzmärkten verkauft.

Nach dem Frühstück gehen meine Schwester und ich zur Schule. Früher gab es hier anscheinend eine Menge Schulen, aber heute gibt es nur noch eine für den gesamten Bezirk. Meine Schwester geht in die 7. Klasse. Ihre Klasse wird zusammen mit 3 anderen unterrichtet. Bei mir ist das ein bisschen anders. Ich bin in der 13. Klasse und bald muss ich gar nicht mehr zur Schule gehen. Danach könnte ich mir eine Arbeit suchen, doch die Meisten müssen für die NA arbeiten und dazu kann ich mich einfach nicht überwinden. Wahrscheinlich werde ich mich der gleichen Untergrundbewegung anschließen, wie mein Vater es einst tat und für unsere Freiheit kämpfen. Außerdem könnte ich dort ihre Cyborgs programmieren und sie reparieren.

Die Technik hat mich schon immer fasziniert. Als Kind träumte ich davon, einmal eine Erfinderin zu werden und eine Maschine zu entwerfen, die den Frieden wiederherstellt. Aber die Sache mit dem Frieden ist gar nicht so einfach. Nach dem großen Krieg brach die Hölle los. Der Krieg war zwar vorbei, aber die Menschen hatten keine Führungskräfte mehr. Ein weiterer Krieg brach aus, diesmal ging es um die Macht im Land. Der jetzige Herrscher riss die Macht an sich und baute sein Regiment auf. Er bezeichnet sich selbst zwar als Retter, ist aber in Wahrheit ein Diktator, der jeden ausschaltet, der zu einer Bedrohung werden könnte. Er unterdrückt die Bevölkerung, steckt Unmengen an Geld in die Waffentechnologie und kümmert sich einen Dreck um uns. Die Einzigen, die sich gegen ihn wehren, sind die Rebellen.

Auf dem Nachhauseweg spielt meine Schwester mit leeren Patronenhülsen, die sie zwischen den ausgebrannten Ruinen der ehemaligen Basis der Rebellen findet. Im Jahr 2036 versank die Welt im Chaos. Die Rohstoffe waren fast aufgebraucht, die Erderwärmung nicht mehr zu bremsen. Die Polkappen schmolzen und überall stieg der Meeresspiegel an. Japan war das erste Land, das den nationalen Notstand ausrief, andere Nationen folgten nicht lange danach. Es kam zu immer mehr Konfrontationen zwischen den Ländern, denn alle wollten sich noch so viele Rohstoffe wie möglich unter den Nagel reißen. Schließlich entluden sich die aufgestauten Spannungen und der Große Krieg brach aus.

Während ich dies aufschreibe, sitze ich auf der Treppe vor unserem Unterschlupf. Der Mond scheint und die Nacht ist friedlich. Es ist kaum zu glauben, dass morgen vielleicht wieder Cyborgs durch die Straßen marschieren und Menschen töten. Aber ich bin zuversichtlich.

Irgendwann mal kommen bessere Zeiten, irgendwann mal...



 




Envoyé: 20:59 Sun, 17 March 2019 par: Kisch  Raquel