Retour

Massimo Santostasi

Entscheidung über Leben und Tod

Nun sitze ich hier in meinem Sofa, kraule meinen grauen Bart und erzähle meinen Enkelkindern die Geschichte meines Lebens, die die alles veränderte. Alles hat vor ungefähr fünfzig Jahren angefangen. Damals war ich gerade mal dreiunddreißig Jahre alt. Einestages, als ich von der Arbeit zurückkam, völlig erschöpft und erfreut in mein kuschliges Bett zu steigen, da es bereits drei Uhr morgens war, kam mir meine Frau mir mit weinenden Augen entgegen. Ich fragte sofort was denn los sei. Darauf hin hielt sie mir einen Brief entgegen. Er kam von der Regierung: „Sehr geehrte Bürger, mit diesem Brief wollen wir ihnen mitteilen dass jeder über achtzehn Jahre alt ist , hiermit der Bürgerwehr zugeteilt wird. Wiedersetzten sie sich dieser, werden sie mit schweren Strafen rechnen müssen. Das Ganze dient einer Höhlenforschung, bei der man bislang unbekannte Kreaturen entdeckt hat. Wahrscheinlich sind es dieselben Kreaturen, die uns am vergangenen Jahr angegriffen haben. Viele sind bei den Angriffen gestorben. Das darf auf keinen Fall wieder passieren. Um keine Panik auszulösen, darf diese Mission auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen. Deswegen müssen wir ihnen sämtliche Kommunikationsgeräte konfiszieren. Außerdem werden die Grenzen strengstens bewacht. Sämtliche Bürger, die der Bürgerwehr zugeteilt wurden, sollen morgen, den 20 März 1999, um acht Uhr vor der Haustür stehen und darauf warten abgeholt zu werden. Ich konnte es kaum fassen. Starr blickte ich auf den Brief. Ich wusste nicht wie ich reagieren oder gar antworten sollte. Wir setzten uns an den Küchentisch und redeten über den Brief. Ich sagte ihr, dass das alles vielleicht ein Missverständnis sein könnte und dass wir bis morgenfrüh abwarten sollte, jedoch wusste ich im Inneren, dass das ihr voller Ernst sein würde. Die ganze Nacht konnte ich kein Auge zudrücken. Ich dachte über das Leben nach. Wie schnell sich doch alles ändern könne. Ich machte mir Gedanken, wie die Zukunft aussehen könnte. Als mir der Gedanke kam, dass ich und meine Frau sterben könnten, ging mir ein eisigkalter Wind durch den ganzen Körper. Schlussendlich habe ich trotz allem einige Stunden geschlafen. Ich hörte, dass jemand an der Tür klopfte. Rasch schaute ich auf die Uhr und bemerkte, dass es bereits acht Uhr war. Ich schaute aus dem Fenster und sah einen grauen Bus, der mindestens zweimal so groß war wie ein herkömmlicher. Schnell weckte ich meine Frau und teilte ihr mit wir müssten uns beeilen. Nach fünf Minuten kamen zwei ausgerüstete Soldaten rein und befahlen uns sofort in den Bus zu steigen. Ich hatte nicht mal mehr Zeit von all meinen Sachen Abschied zu nehmen. Ich spürte, wie mir die Tränen kamen, jedoch unterdrückte ich sie. Der Himmel war grau und ich verspürte einen kalten Luftzug im Bus. Meine Frau saß neben mir. Ich sagte ihr, dass alles gut werden würde. Zitternd legte sie sich gegen mich. Ich war während der Reise eingeschlafen. Als ich erwachte bemerkte ich, dass keiner mehr außer mir im Bus war. Ein Soldat griff mir unter die Arme und schmiss mich aus dem Bus. Ich rappelte mich mühsam wieder vom Boden auf. Ich schaute mich um und bemerkte erst jetzt, dass ich in einem Ausbildungslager gelandet bin.

 

 

 

 Meine Frau, wo war sie? Ich wurde in ein Gebäude gebracht. Hier wurde ich einen Monat trainiert und ausgebildet, um gegen diese Scheusale zu kämpfen. Seit der Abfahrt hatte ich meine Frau nicht mehr gesehen, was mir sehr zu schaffen machte. In der Zeit, die ich hier verbrachte, wurde ich zu einem zurückhaltenden, einsamen Menschen. In drei Wochen werde ich auf die Mission geschickt. Bislang hatte ich noch immer nicht meine Frau gesehen, ich wusste nicht einmal mehr, ob sie noch lebte.  Der Tag war gekommen, an dem für alle die Mission beginnen würde. Wir waren alle in Gruppen eingeteilt: A, B, D und C. Ich gehörte zu Gruppe A, die die zuerst die Höhle erforschte. Am ersten Tag der Mission fuhr man uns mit demselben Bus, mit dem man uns herführt hatte, zu der Höhle.  Bevor wir uns in die Höhle wagten, erklärte man uns nochmal, wie man die blutrünstigen Bestien töten kann und was man machen sollte, wenn man in Schwierigkeiten steckte. Mittlerweile hatte ich mir ein paar Freunde zugelegt. Zufälligerweise waren wir in der gleichen Expeditionsgruppe. Dann erhielten wir den Befehl, die Höhle zu betreten. Es war nur ein kleiner Eingang durch den jeder einzeln durch musste. Innen war es kalt und feucht. Trotz der vielen Taschenlampen war es unfassbar dunkel. Schon nach den ersten Metern viel es mir schwer zu atmen. Nach einigen Minuten machten wir eine Pause. Dann auf einmal hörte ich einen Schrei. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, doch beim zweiten war ich mir sicher, das musste eine Bestie sein. Schrill und von Hass war er erfüllt. Auch wenn ich bislang noch nie solch eine Kreatur mit eigenen Augen gesehen habe, habe ich viel darüber gehört: scharfe, lange Klauen sollen sie an ihren Händen haben und sie soll eine Art schwarze Rüstung besitzen. Aus ihrem Mund ragen sehr schmale, spitze und blutige Zähne erfüllt sein. Keiner bewegte sich. Der Schrei war der Beweis, dass die Kreaturen hier waren.  Nach dem jeder sich beruhigt hatte, gingen wir weiter. Es roch nach Schweiß. Mittlerweile war ich mir nicht mehr sicher, ob ich das überleben würde. Ein paar Minuten später hörte ich erneut einen Schrei. Sofort blieb jeder stehen. Ein eisig kalter Wind schoss mir durch Leib und Seele. Doch nicht weil ich Angst von den Kreaturen hatte, sondern weil der Schrei nicht von den Kreaturen kam, sondern von einem Menschen. Die Kreaturen hatten wohl die Gruppe hinter uns angegriffen. Panik brach aus. Alle liefen instinktiv in die entgegengesetzte Richtung des Schreies. Ich versuchte hinterher zu laufen, doch dann fiel ich. Die Taschenlampe rutschte mir aus der Hand die andern waren längst weg. Nur ich, die Höhle und zahlreiche von Hass erfüllte Bestien, die nur nach Beute suchten. Zitternd suchte ich nach der Taschenlampe. Mein Herz raste und ich spürte, wie mir etwas von der Stirn tropfte. Zunächst dachte ich dass es nur Schweiß sei, jedoch schmeckte ich, dass es Blut war. Ich wusste nicht, was ich machen würde, wahrscheinlich würde ich gleich von diesen Kreaturen zerfleischt werden. Unerwartet fand ich meine Taschenlampe. Ich leuchtete um mich. Ich sah zwei Gänge, die in die entgegengesetzte Richtung gingen und entschied mich für den rechten. Vorsichtig und mit Angst durchdrungen, ging ich Schritt für Schritt tiefer in die Höhle. Auf einmal hörte ich Schritte. Sofort schaltete ich meine Taschenlampe aus, versteckte mich hinter einem Felsen und zog meine Waffe.

 

 

 

 

 Die Schritte kamen immer näher. Sie waren nicht weiter als 10 Meter von mir entfernt. Langsam hob ich mich und richtete die Waffe in die Richtung der Geräusche. Dann zog ich langsam die Taschenlampe und machte sie an. Aus Panik schoss ich mindestens zehn Mal. Ich hatte eine getötet. Ich verspürte unfassbare Angst und zugleich Erleichterung. Ich untersuchte das Wesen genauer, nachdem ich ihr sicherheitshalber ins Herz schoss, was der einzige Weg war sie zu töten. Die Kreatur war unfassbar grässlich. Mit Blut verschmiert und ihrem mit Hass erfülltem Gesicht. Ich ging weiter. Seit zwanzig Minuten Marsch gab es keine Zwischenfälle mehr. Doch wusste ich nicht, wo dieser Weg hinführen würde und ob ich je hier raus kommen würde. Ich wusste nicht mehr, ob es erst ein paar Stunden und bereits Tage her war. Nach langem Marsch entdeckte ich ein Licht am Ende des Ganges. Ich dachte, es sei ein Ausgang und so lief ich so schnell ich konnte. Doch als ich dem Licht entgegen lief, entdeckte ich Kleider auf dem Boden liegen. Als ich näherging, entdeckte ich, dass es nicht nur Kleider waren, sondern Menschen. Mindestens Hundert lagen hier. Beim Anblick lief mir ein Schauder über den Rücken. Überall floss Blut über den Boden. Es war schrecklich, widerwärtig. Überall lagen Leichen, die von den Kreaturen durchstochen, aufgeschlitzt oder durchbohrt wurden. Dies war wohl die Gruppe, die anfangs angegriffen wurde. Als ich weiterging und mir die Leichen anschaute, hoffte ich meinen Augen nicht zu trauen. Weinend und schreiend lief ich auf die Leiche zu. Ich drehte den Kopf der Leiche um. Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten. Völlig traumatisiert, weinte ich als ich den Kopf der Leiche in meiner Hand hielt. Meine Frau war tot. Die Trauer und die Entsetzlichkeit, die ich verspürte, verwandelte sich in Wut. Solch eine Wut hatte ich noch nie erlebt. Ich schwor im Namen meiner Frau, dass die Bestien die meine Frau hingeschlachtet haben, dafür büßen würden. Jedoch bedeutete das auch, dass ich auf dem Weg, der mich hierhergeführt hatte, war. Somit hatte ich eine Chance hier raus zu kommen. Ich hatte keine Kontrolle über meine Gefühle, das einzige, was ich noch fühlte war Wut. Plötzlich hörte ich Geräusche. Es mussten mehrere Kreaturen sein. Sie näherten sich mir. Ich zog wieder meine Waffe. Dann fiel mir ein, dass es keine gute Idee wäre einfach zu schießen. Darum griff ich nach einem Stein und schoss ihn soweit ich konnte. Die Bestien liefen sofort hinterher. Der Plan war geglückt. Die Kreaturen hatte ich abgehängt. Zumindest dachte ich das. Nur ein paar Meter später griff mich eine an. Er stieß mir seine Klingen in den Bauch. Ich blutete. Ich versuchte meine Pistole aus dem Gürtel zu nehmen, doch sie klemmte fest. Ich wurde panisch und konnte mich nicht wehren. Die Bestie stürzte sich über mich, um erneut zuzustechen, doch ich konnte in letzter Sekunde sie wegstoßen, zog rasch  meine Pistole und schoss ihr ins Herz, mehrere Male. Ich schaute mir meine Wunde an. Sie schmerzte sehr und blutete auch viel. Ich riss mir ein Stück Stoff von meinem T-Shirt ab und hielt es gegen die Wunde. Ich machte mir vom Rest des T-Shirts einen Verband, den ich mir um den Bauch wickelte. Nach quälenden 10 Minuten Marsch, hört ich ein Seufzten. Es war ein junger Mann der am Boden lag. Er wurde angestochen.  Man merkte ihm deutlich an, dass er litt. Ich sprach mit ihm was passiert sei, als ich plötzlich ein lautes Geröll hörte. Es kam immer näher.

 

 

 

 

 

 Als ich mit der Taschenlampe den Gang beleuchtete, sah ich dutzende Kreaturen auf mich zulaufen. Der verletzte Mann schaute mich an und bat mich ihn nicht im Stich zu lassen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, die Zeit lief mir weg. Verloren schaute ich ihm in die Augen. Ich wusste, dass ich ihm nicht helfen konnte doch seinen Blick werde ich bis heute nicht vergessen. Ich würde nur Zeit mit ihm verlieren. Außerdem würde es mir Zeit verleihen wenn ich ihn zurücklassen würde, denn dann würden die Kreaturen ihn….

 

 

 

Also lief ich so schnell ich konnte und der Mann schrie mir hinterher. Ich verstand nicht was er sagte, doch hörte ich wie die Bestien ihn niedermetzelten. Ganze Körperteile flogen umher. Es war grausam und barbarisch, aber so waren diese Scheusale eben. Ich lief so schnell ich konnte. Dann endlich sah am Ende des Tunnels einen Ausgang. Noch immer standen Soldaten dort, um die andern abzuholen, dort. Schnell informierte ich die andern, was drinnen passiert sei. Sie fuhren mich in ein Krankenhaus. Bis heute bin froh dass diese Kreaturen endlich alle tot sind. Doch einen letzten Wunsch hätte ich noch: meine Frau wiederzusehen.

 

 




Envoyé: 16:06 Wed, 1 April 2015 par: Massimo Santostasi