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Ruppert Caroline

Zum Trotz gegen die Zeit



Zum Trotz gegen die Zeit 

 

Heute werde ich mal nichts

Heute bin ich

Zum Trotz gegen die Zeit

Erschaffe ich mir meine eigene

kleine Unendlichkeit

in einem Vakuum voller Augenblicke

 

Wie gewohnt werf‘ ich einen Blick

in den Spiegel

Schau mich diesmal aber wirklich an

zeitloslang

Will in mich hineinschauen

Mein Geheimnis lüften

Augenasenmund

Stirnwangenkinn

verzerren sich

brechen auseinander

schwirren umher

...

und fügen sich

wieder zusammen.

 

Dann gehe ich hinaus,

raus aus meinem Kopf,

hinein in das Geschehen

setze einen Schritt vor den anderen,

so langsam bin ich noch nie gegangen

in meiner Langsamkeit kann mich

niemand einholen.

 

Ich streck meine Nase

in den Himmel hinauf,

will den Duft des Himmels erhaschen

und rieche zum ersten Mal

den Duft des Lebens.

 

Ich lege meine Hand auf

mein Herz, meinen Bauch

Fühle Wärme und Leben,

Geborgenheit in mir

Höre in der Stille

das Leben

das am Leben sein wollen

das kräftige Pochen und

ruhige Heben

Ich fühle, ich bin mit mir

nicht allein

Ein schönes Gefühl

 

„Ich denke

also bin ich“

Aber ich will doch

nicht aufhören zu denken

Nicht aufhören in Gedanken zu sprechen

Also klammer ich mich an Sprache

Lern sieben Sprachen

Gibt es in einer anderen Sprache

einen Weg, den es in meiner nicht gibt?

Schreib die verrücktesten Geschichten

Erzähl die ehrlichsten Gedanken

Führ die längsten Gespräche

Lese die buntesten Bücher

Probier mich in Sprachakrobatik

Studier die Grammatik

Leben, ich lebe, ich lebte, ich habe gelebt,

ich hatte gelebt, ich werde leben,

ich würde leben

versuche die Lücke zu finden,

gibt es ein Easter Egg in Sprache?

Ein Rätsel das zu knacken ist?   

Und denke, denke, denke

Denke immerzu

Wenn ich immer denke

Werde ich dann immer sein?

 

Heute werde ich mal nichts

Heute bin ich

Zum Trotz gegen die Zeit

Erschaffe ich mir meine eigene

kleine Unendlichkeit

in einem Vakuum voller Augenblicke

 

Doch so langsam ich auch gehe

Und das kann ich wirklich gut

Ich weiß, irgendwann wird mich

doch etwas einholen.

Was danach ist weiß ich nicht,

ein leeres Nichts? ein stilles Paradies?

So viele Fragezeichen.

 

Was bleibt, ist der Zeit zu trotzen

Ich reihe ganz viele Vakuume voller Unendlichkeit

aneinander

baue einen Turm damit, eine Mauer

mein eigenes Schloss, meine Rüstung

Ich bin die Herrscherin.

Ich nehm die Sprache, das Riechen,

das Fühlen, das Tasten,

das Gehen an die Hand

an meine Hand, ich kann viel tragen.

Und schon heute – fang ich damit an.

 

Heute werde ich mal nichts

Heute bin ich

Zum Trotz gegen die Zeit

Erschaffe ich mir meine eigene

kleine Unendlichkeit

in einem Vakuum voller Augenblicke.

 




Envoyé: 13:48 Tue, 30 June 2020 par: Ruppert Caroline