Wer auch immer dies gerade liest, fragt sich bestimmt, wer dies geschrieben hat. Nun ja, ich kann ihnen nicht sagen,wer ich bin, denn dann würden sie sich nur ein Bild von mir machen. Damit dies nicht geschieht, erzähle ich Ihnen nun meine Geschichte. Sie werden mich, nachdem sie das gelesen haben, sehr gut kennen und mich verstehen können.
Kennen sie das Gefühl, wenn man schläft und plötzlich aus einem Albtraum erwacht, um dann jedoch festzustellen, dass man gar nicht geschlafen hat? Man ist wach und war es auch die ganze Zeit. Ich kenne dieses Gefühl nur zu gut.
Fangen wir aber zuerst einmal von vorne an:
Ich bin 25 Jahre alt, lebe in Stockholm, bin verheiratet und habe 2 wunderbare Kinder. Ich bin von Beruf her eine Hebamme. Das war schon immer mein Traum. Ich bin wie für diesen Beruf geschaffen. Jetzt denken sie bestimmt: „Man die hat ein gutes Leben. Sie ist verheiratet, hat Kinder, ist reich und besitzt einen Job, der ihr gefällt!" Damit haben sie auch vollkommen recht, jedoch war es nicht immer so, ganz im Gegenteil!
Ich war 10 Jahre alt, als es begann. Mobbing! Dieser Begriff wird heutzutage so oft benutzt, sodass er seine Bedeutung verliert. In meinem Fall kann man aber von Mobbing reden. Ich war in der Grundschule und hatte einen sehr guten Klassenlehrer. Auch meine Klassenkameraden waren sehr nett und ich fühlte mich wohl. Bis zur der einen Religionsstunde! Für dieses Fach hatten wir einen anderen Lehrer.
Wir mussten eine Gruppenarbeit erledigen. Die Aufgabe bestand darin, sich einen Zettel auf den Rücken zu kleben und so musste jeder jedem etwas auf den Zettel schreiben. In dem Spiel ging es eigentlich darum, seinen Kameraden etwas Nettes zu schreiben. Jedoch hat unser Lehrer entschieden, dass wir positive ODER negative Sprüche oder Wörter schreiben müssten. Als ich am Ende der Stunde meinen Zettel auf meinem Rücken las, lief mir schon nach den ersten beiden Sätzen und Wörtern eine Träne über meine Wange.
Ich las Dinge wie: - Du bist hässlich.
-Ich hasse dich.
-Spring doch endlich von der Brücke
-Bring dich um, bevor ich es tue.
Ich konnte nicht fassen, was ich da las. Ich stürmte aus dem Unterricht und heulte mir die Augen aus dem Kopf. Zuhause angekommen erzählte ich alles meiner Mutter und wir beschwerten uns über den Lehrer. Da diese Sprüche anonym waren, konnten wir nichts weiter unternehmen. Ich war lange Zeit wie weggetreten. Ich verstand nicht, wie und warum Kinder mit 10 Jahren so boshaft sein konnten. Wollten sie wirklich meinen Tod oder war das nur ein geschmackloser Scherz. Nach einiger Zeit ging es mir besser und in der Schule war alles wie vorher (Nur fühlte ich mich nicht mehr so wohl), was mich sehr verwunderte.
In dem darauffolgenden Jahr wurden die Klassen aufgeteilt und ich bekam neue Lehrer. Dort war alles besser. Ich wurde nicht gemobbt. Nur die Klassenlehrerin war launisch und aggressiv. Nicht gerade meine Lieblingslehrerin,aber wer kommt schon mit jedem klar ? :)
Zwei Jahre vergingen und die Zeit in der Grundschule neigte sich dem Ende zu. Die nächste Etappe: Das Gymnasium.
So kam ich am 17. September 2035 ins Gymnasium. Ich war sehr nervös, da ich als Einzige meiner Klasse ins Georg Berthof Gymnasium ging. Alle anderen gingen in die bekannteste und angesagteste Schule im Land. Ich hatte Angst, keine Freunde zu finden. Am 2. Tag jedoch lernte ich bereits viele neue Leute kennen und war begeistert von der Schule. Der Unterschied zwischen meiner Schule und allen anderen war, dass wir ein anderes, nicht klassisches Bewertungssystem hatten. Alles war perfekt. Ich hatte Freunde gefunden, wurde integriert, fühlte mich wohl und war richtig motiviert. Das Gymnasium hatte ein gutes Konzept. Alles war auf dem Wohle der Schüler aufgebaut. Man wurde motiviert, gefördert und eingebunden. Man wurde auf das Leben vorbereitet. Es war die perfekte Schule für mich. So stand seit der 7.Klasse für mich fest, dass ich Hebamme werden möchte.
Nach zirka einem halben Jahr ging es los. Wir besaßen einen Klassenchat, indem wir über Hausaufgaben und Schulkram redeten.Während den Osterferien kam es dann zu dem Vorfall. Ich hatte mich doch tatsächlich getraut, etwas über meine Ferien zu schreiben!Ich habe mich getraut meiner Klasse zu erzählen,dass meine Ferien sehr schön seien,es nur eine Stechmückenplage gab. Ich habe keine Ahnung was daran so schlimm war,oke vielleicht war es nicht so interessant aber was ich nicht erwartet habe,dass meine Klasse so austicken würde. Auf einmal fingen meine Klassenkameraden an, mich aufs Übelste zu beleidigen und zu beschimpfen.
Sie sagten, sie wären ohne mich besser dran.
Diese Beleidigungen machten auch vor meiner Familie nicht Halt. Welch ein Kind hier großgezogen wurde und ob mich der Arzt vor Lachen bei der Geburt fallen gelassen hätte. Sie sagten, ich wäre hässlich und dumm und ich sollte verschwinden! Sie meinten, niemand würde mich je lieben und es würde keine Menschenseele interessieren, ob ich tot wäre und sie nannten mich „Missgeburt“.
„Warum, warum nur tun sie mir das an? Was habe ich falsch gemacht? Was habe ich ihnen zu Leide getan? "
Ich war so perplex und nicht im Stande zu antworten oder irgendwas dagegen zu unternehmen. Ich konnte nicht einmal mein Handy weglegen. Ich war wie gelähmt.
Das Ganze erstreckte sich über ein Jahr. Gruppenarbeiten waren der Horror für mich. Im Sport wurde ich immer als Letzte gewählt und dann auch nur, weil sie mich zum Schluss nehmen mussten. Die Gruppe,in die ich gewählt wurde, stöhnte immer und die Blicke waren unerträglich.
Im Februar reichte es mir. Ich wollte nicht mehr der Buhmann sein. Ich ging zum Rektor. Das muss man sich mal vorstellen, ich ging in meinem ersten Jahr Gymnasium alleine zum Rektor! Mit gerade mal 12 Jahren stellte ich mich vor den Leiter der Schule und erzählte ihm, dass ich schikaniert werde. Ich erzählte ihm, was passiert war. Er war entsetzt und wollte etwas dagegen tun. Drei Tage später tauchte er in unserer Klasse auf und hielt meiner Klasse eine Standpauke. Zwei Wochen lang war alles friedlich (Es hat sich niemand getraut, etwas zu tun oder zu sagen.), aber als diese zwei Wochen verstrichen waren, ging es wieder los. Und zwar schlimmer und fieser als zuvor.
Das Jahr neigte sich dem Ende zu und die Sommerferien standen vor der Tür.Ich war überglücklich. Zwei Monate Ruhe und Frieden. Die zwei Monate waren wunderbar, gingen jedoch viel zu schnell zu Ende.
Zweites Jahr Gymnasium:
Ich hatte Angst, dass das zweite Jahr am Gymnasium genauso schlimm oder schlimmer werden würde. Zu meiner Verwunderung waren alle wieder „nett“ (eher neutral) zu mir. Ich hatte „Freunde“ ,jedenfalls dachte ich das und wurde nicht mehr gemobbt. Alles war normal. Das sollte aber nicht lange so bleiben.
Mein Bruder ging zur gleichen Schule. Er war schon lange vor mir auf dieser Schule. In meinem ersten Jahr Gymnasium gab es Probleme zwischen ihm und seiner Klasse. Er verließ die Schule. Jetzt war meine Klasse direkt neben der alten Klasse meines Bruders. Es gab ein Fach: den Werteunterricht.In diesem Fach wurden verschiedene Klassen zusammengesetzt. Da hatte sich die ganz intelligente Schule natürlich gedacht: „Warum stecke ich die Klasse von Leila und die ihres Bruders nicht in den gleichen Unterricht?“ Das war natürlich eine sehr gute Idee. Hauptsächlich die Mädels aus dieser Klasse machten sich einen Spaß daraus, mich zu ärgern. Sie lachten über mich, beleidigten mich und folgten mir überallhin. Sie folgten mir sogar bis aufs Schulklo, wo sie mich schikanierten und mich und meine Familie beleidigten. Sie ließen keine Gelegenheit aus, mich zu drangsalieren. Meine Klasse bekam das natürlich mit und nahm sich ein Beispiel an der Klasse.Auch sie zerrissen sich ihr Maul über mich.Das ganze Jahr über ging das so.
Eines Tages konnte ich nicht mehr. Ich ging zu meinen Lehrern. Ich stellte mich vor die ganze Lehrergemeinschaft und erzählte ihnen von den Vorkommnissen der letzten Wochen und Monate. Sie wollten mir nicht glauben, sie hielten mich für eine Dramaqueen und dachten, ich hätte mir das alles nur ausgedacht. Die andere Klasse war ja auch schließlich 2 Jahrgänge über mir. Warum sollten sie, die ja schon fast erwachsen sind, so etwas tun? Die Einzige, die mir glaubte, war meine Mentorin. Sie konnte aber nicht wirklich viel tun.
Wir gingen gemeinsam zum Schulpsychologen. Die einzige Lösung, die es laut ihnen gab, war die Schule zu wechseln. (Sie haben wirklich viel dafür getan, um das Mobbingproblem zu lösen: Zu nicken und dauernd festzustellen, wie schlimm das sei und dass es so nicht weitergehen kann!)
Ich ging zu meinen einzigen beiden „Freundinnen“ in der Klasse und vertraute mich ihnen an, da sie bis zum heutigen Tag die Einzigen waren, die noch zu mir hielten. Die meinten dann, ich solle mir andere Freunde suchen, denn ich sei nicht mehr gut genug für sie. Ich würde ihnen nur im Weg stehen und wäre eine Last für sie. Als sei dies nicht verstörend genug,meinten sie anschließend noch ganz neutral: „Nimm es nicht persönlich, Leila!“
Wow, und schon wieder ein Schlag ins Gesicht.
Ich war am Ende. Manchmal wusste ich nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Ich sah keine Hoffnung mehr. Ich verbrachte meine vier Stunden Mittagspause immer ganz alleine, bis ich schließlich um 16:20 Uhr nach Hause gehen konnte.
Ich zählte die Tage, Wochen, Monate, ...
Ich schickte ein Anmeldungsformular mit einer persönlichen Begründung an zwei Schulen, einem Brief von meinen Eltern und von meinem Psychologen, wo ich in Therapie war, um alles zu überstehen.
Sommerferien: (Das Ende war in Sicht.)
Ich war überglücklich: Ich musste diese Schule nie wieder betreten. Ich wechselte in ein anderes Gebäude. Eigentlich war es ein trauriger Anlass, eine solch gute Schule zu verlassen. Bleiben konnte ich allerdings nicht, sonst hätte ich mir etwas angetan. Ich war innerlich leer.In diesem Moment war mein Glas auf jeden Fall halb leer.Man sagte mir immer ich solle mein Glas als halb voll betrachten,was mir jedoch zu diesem Zeitpunkt sehr schwer fiel.
Drittes Jahr Gymnasium:
Mein erster Tag in der neuen Schule war super. Ich lernte neue Leute kennen, bekam tolle Lehrer und lebte mich gut ein. Ich lernte erneut, Menschen zu vertrauen und bereute es nicht. Ich musste jedoch mit Schrecken feststellen, dass ich in meiner alten Schule nicht sehr viel gelernt hatte, da ich sehr viele Schwierigkeiten mit dem Lernstoff hatte. Mir fehlte in sämtlichen Fächern die Basis. Zu meinem Glück hatte ich Lehrer, die mich unterstützten. In der Mathematik war es am schlimmsten. Der Rückstand erschien mir unüberwindbar und ich war so froh, dass ich so einen tollen Lehrer hatte, der mir wirklich viel half und mich unterstützte. In diesem Jahr lernte ich sogar meinen ersten Freund kennen. Wir hatten eine wunderschöne Zeit zusammen, wodurch ich meinen Entschluss, die Schule zu wechseln ganz und gar nicht mehr bereute. Die Zeit war zwar super, jedoch auch kurz. In meinem vierten Jahr Gymnasium trennte ich mich von ihm, da er mich nicht so lieben konnte, wie ich es mir gewünscht hätte.Für mich war die Beziehung etwas Besonderes,jedoch auch sehr neu.Ich hatte keine Erfahrungen auf diesem Gebiet.Er hatte schon eine Freundinn vor mir. Vielleicht war es genau das, was uns zum Verhägnis wurde.Ich war noch sehr naiv und unerfahren,wo hingegen er schon ungefär wusste, wie man eine Beziehung führt.
Das folgende Schuljahr war sehr anstrengend. Mir wurde immer wieder vor Augen geführt, wie viel Lernstoff mir fehlte.
Trotz all den Schwierigkeiten bestand ich dieses Jahr und musste mich für eine Richtung hinsichtlich der Berufswahl entscheiden. Die Entscheidung gallt für die letzten drei Jahre Gymnasium.
Ich entschied mich für eine allgemeine Richtung, für eher sozialere Berufe. Diese drei Jahre bestand ich schlussendlich auch mit einem ganz guten Abschluss.
Ich wollte Hebamme werden. Das war mein Traum seit ich zwölf war. So ging ich in die Hebammenschule und machte eine dreijährige Ausbildung. Während meiner Ausbildung lernte ich Max kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. (Heute sind wir verheiratet.) Nach der Ausbildung fand ich eine Stelle als Hebamme, ganz in der Nähe von meinem Zuhause. Der Job ist sehr schön und einfach wundervoll.
Jedoch hat diese Berufung auch seine Schattenseiten und es fällt mir auch manchmal sehr schwer, jedoch ist es größtenteils schön. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, zu helfen ein neues Leben auf die Welt zu bringen. Dieser Moment,wenn man ein Neugeborenes in den Armen hält, es sich die Lungen freischreit und die Mutter müde und überglücklich lächelt.Jedoch kann genau dieser Moment zum Albtraum werden.Leider gibt es auch Totgeburten oder plötzlicher Kindestod. Auch Behinderungen wie zum Beispiel das Down-Syndrom gehören zum Beruf.
Jetzt denkt ihr vielleicht, dass das zu positiv klingt, um wahr zu sein. In der Tat scheint das so, jedoch hatte ich sehr lange mit den Folgen des Mobbings zu kämpfen. Ich war in Therapie und hatte lange Vertrauensprobleme. Die Bilder der Vergangenheit verfolgen mich bis heute und verschaffen mir auch jetzt noch Albträume. Dass ich etwas Traumatisches erlebt habe, werde ich nie vergessen können.
Jedoch kann ich behaupten, ein schönes Leben zu haben. Ich bin verheiratet und habe gesunde und vor allem glückliche Kinder. Außerdem habe ich meinen Traumjob.
Abschließend kann man sagen, dass ich eine schwere Schulzeit hatte, die viele Narben hinterlassen hat. Ich musste sehr oft die falschen Menschen kennenlernen, um schließlich auf den richtigen Weg zu gelangen. Trotz allem habe ich es geschafft, aus der Opferrolle zu kommen, was mich sehr stark gemacht und meine Lebenseinstellung verändert hat.
Ich habe mir oft überlegt, was geschehen würde, wenn ich meine Peiniger wiedertreffen würde. Ehrlich gesagt, wüsste ich es nicht einmal. Wahrscheinlich wäre ich wie gelähmt und alles würde wieder hochkommen. Nur mache ich mir keine Gedanken darüber und genieße mein Leben und denke nicht an die Schatten meiner Vergangenheit.
Ich blicke nach vorne und schaue nicht mehr zurück! ????
Ich bin darüber hinweg und ich kann stolz behaupten, dass ich mich nicht von diesen Menschen abhängig gemacht habe, dass ich mich durch diese unreifen Idioten nicht unterkriegen gelassen habe.