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Burton Liz

Die Beschwerden einer Uhr



Die Beschwerden einer Uhr



Jeden Tag hört man viele  unfreundliche Dinge über mich, die Uhr. Was habe ich den Menschen getan? Vielleicht liegt es daran, dass die Zeit einer meiner guten Bekannten ist. Dabei ist die Zeit doch nichts Schlimmes. Außerdem interessiert  sich doch jeder für die Uhrzeit, und jeder Mensch besitzt mehrere Uhren. Was wäre die Menschheit ohne den Wecker oder die Armbanduhr? Und sogar ich, eine gewöhnliche Wanduhr, werde täglich gebraucht.

 

« Ich habe keine Zeit », eine verletzende Aussage, die bestimmt von zwei Dritteln der Bevölkerung  täglich wiederholt wird. Eine absolut falsche Aussage ! Jeder hat Zeit, es kommt nur darauf an, wie man sie nutzt. Vielleicht hat man in verschiedenen Augenblicken schon etwas vor, aber Zeit hat man immer. Solange man auf Erden ist, hat man Zeit, sonst wäre man ja nicht da.  Wie das mit dem Tod und der Zeit ist, ist schwieriger zu erklären, aber von dem Augenblick an, in dem man geboren wird, bis zum Sterbebett hat man Zeit: Lebenszeit.

 

Es gibt auch  Menschen, die glauben, dass die Zeit davonrennt. Dieser Meinung bin ich nicht. Die Zeit wird ewig bleiben, sie wird nie sterben, sie hat also keinen Grund, sich zu beeilen. Menschen haben eine seltsame Auffassung von Zeit und Uhren. Eine Uhr ist ersetzbar, das stimmt. Aber wenn es einmal ganz still auf der Erde werden sollte, so wird das Einzige, was man in dieser Stille hören kann, das Ticken einer Uhr sein.

 

Eigentlich sollte ich mich nicht beklagen, den lieben langen Tag hänge ich einfach nur an der Wand und trotzdem kann ich das alles nicht hinunterschlucken. Ich muss mir ewig anhören, wie Menschen sich darüber aufregen, dass die Zeit am Wochenende viel schneller vergeht. Naja, irgendwie kann ich das ja sogar nachvollziehen, es kommt ihnen so vor, aber es stimmt nicht. Es kann ja gar nicht stimmen, denn ich laufe immer im selben Takt weiter. Die Menschen denken eben nicht über ihre Worte nach. Das ist bestimmt ihr größter Fehler. Sie glauben, ich würde davonrennen, aber das Schlagen im Sekundentakt ist nun einmal meine Aufgabe. Jeder hat im Leben eine Aufgabe, auch Menschen. Sie brauchen mir nichts vorzuwerfen, wenn  darin meine Aufgabe, vielleicht sogar mein Lebensinhalt besteht. Und außerdem arbeite ich ja auch nicht für mich, sondern für den Menschen. Trotzdem mögen die Menschen mich nicht, es liegt wahrscheinlich an der Zeit. Aber ich bin nicht die Zeit, ich bin nur ihr Bote. Doch das werden die Menschen  wohl nie verstehen.
 

 




Envoyé: 19:51 Sun, 26 March 2017 par: Burton Liz