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Spedener Florence

Das Café

 

Die Tür fiel leise hinter ihr ins Schloss. Über ihrem Haupt klingelte es. Ihre Augen mussten sich erst an das Lichtverhältnis des Cafés gewöhnen, bevor sie den Raum eingehend mustern konnte. Ruhige Jazzmusik zog sie sofort in ihren Bann und auf einem Bildschirm prasselte ein Kaminfeuer. Sogleich fühlte sie sich wohl. Es war eine gute Idee gewesen hier einen Abstecher zu machen um dem kalten Regenschauer zu entkommen. Zum Glück war sie den ersten Tropfen noch entgangen, denn ihr Regenschirm hätte sie bei dem rauen Wind nicht schützen können. Zu diesem Schluss war sie aber erst gekommen, nachdem sie einen Mann auf der Straße fluchend mit seinem Schirm ringen gesehen hatte. Bei dem Gedanken an das lustige Szenario musste sie lächeln. Das leise Gemurmel von einigen Gästen riss jedoch sie aus ihren Gedanken.

Die Mütze von ihrem Kopf nehmend, schaute sie sich um. Das Lokal war in warmen orange-gelben Tönen gestrichen und sowohl die Sitzbänke, als auch die kleinen Tische, waren aus dunklem Holz. Jede Sitzbank war mit roten Polster überzogen und sah recht einladend aus. Typisch für die anstehende Jahreszeit fanden sich vereinzelte Teelichter auf den Tischen und herbstlicher Wandschmuck an den Wänden. Der Stil erinnerte sie an einen alten amerikanischen Film. Oder war es doch ein englischer Film gewesen?

Sie zog ihre Handschuhe aus und ihre Finger begannen sofort durch die angenehme Wärme zu prickeln. Der Geruch von frisch gemahlenen Kaffee, heißer Schokolade und frischem Gebäck wehte ihr entgegen, als sich die Tür zur kleinen Küche kurz öffnete und eine Verkäuferin mit einem freundlichen Lächeln an den Tresen trat um einige frische Croissants in das Schaufenster zu stellen.

Sie nickte der älteren Frau freundlich zu und suchte sich einen Platz am Fenster. So hatte sie das Wetter im Blick. Allzulange konnte sie hier nicht verweilen, weil es bald dunkel werden würde. Sie mochte es nicht um diese Uhrzeit alleine in der Stadt unterwegs zu sein.

Ihren Mantel neben sich auf ihre Umhängetasche legend, besah sie sich die vereinzelten Gäste neugierig. Insgesamt waren es fünf Leute. Ein etwas älterer Herr saß am Tresen und machte gerade ein Kreuzworträtsel oder etwas Ähnliches. Die Brille rutschte ihm dabei immer wieder von der Nase und er schob sie leise grummelnd nach oben.

Neben ihm saß ein Geschäftsmann in dunkelblauen Anzug, der eine Zeitung las und hin und wieder an seinem Kaffee nippte. Es war eine willkommene Abwechslung jemanden mit einer gedruckten Zeitung zu sehen und nicht mit dem Handy oder anderem technischen Krimskrams.

In einer der Sitzecken zu ihrer rechten saßen drei Frauen und schienen wohl gerade eine Shoppingpause einzulegen. Der freie Sitzplatz neben einer der Frauen war vollgepackt mit Einkaufstüten aus verschiedenen Läden, hauptsächlich Kleidergeschäften. Sie kicherten ausgelassen wie Schulmädchen, jedoch stets darauf achtend, nicht zu laut zu werden. Mussten wohl alte Freundinnen sein.

Alles in allem war die Atmosphäre sehr behaglich und sie griff lächelnd nach der Speisekarte. Wäre der Zufall nicht gewesen, sie hätte das Café wahrscheinlich nie betreten. Dabei ging sie nun schon drei Jahre hier zur Uni. Ein anderer Jazzsong summte aus der Anlage, diesmal mit mehr Klavier und weniger Saxophon. Ihr Fuß wippte fast unmerklich mit, während sie die Karte studierte. Schritte zu ihrer rechten ließen sie aufblicken. Die Angestellte kam zu ihr, einen kleinen Schreibblock und einen Stift in ihren Händen. Draußen sah es aus, als würde es noch eine Weile dauern bis der schüttende Regen aufhören würde. Nur gut, dass sie hier warten konnte. Sie bestellte sich ein Eclair und einen Kaffee. Damit würde sie die Zeit schon überbrücken.

Die ältere Frau war soeben wieder hinter der Theke verschwunden, als die Tür des Lokals sich mit dem üblichen Klingeln öffnete. Sie drehte sich neugierig um und biss sich auf die Unterlippe. Fast hätte sie laut losgelacht. Da stand doch tatsächlich der junge Mann, der vorhin auf der Straße den Zweikampf gegen seinen aufmüpfigen Regenschirm verloren hatte. Dementsprechend war er auch klatschnass und nicht sehr begeistert. Die französische Kappe und der lange schwarze Mantel hatten ihn kaum vor dem stürmischen Regen schützen können. Er stand einfach nur da und sein Gesichtsausdruck sagte deutlich: Ich hasse mein Leben. Warum gerade ich?

Vielleicht lag es an der lockeren Jazzmusik oder an seinem Versuch seinen kaputten Regenschirm an einen Haken zu hängen, wobei er jedoch immer wieder kläglich scheiterte, aber irgendwann konnte sie nicht mehr. Sie prustete los. Es klang selbst für sie zu laut.

Sofort richteten sich alle Augenpaare auf sie aber sie konnte nicht mehr aufhören. Ihr Bauch begann zu schmerzen und sie schob sich sofort den Schal über die Nase, wobei es für das Vertuschen der Peinlichkeit schon lange zu spät war. Die Situation war wie aus einem Film und obwohl sie sich gerade äußerst unhöflich benahm, konnte sie sich nur schwer beruhigen. Der ältere Mann grinste breit, bevor er sich wieder seinem Kreuzworträtsel widmete. Der Geschäftsmann schüttelte nur den Kopf und blätterte seine Zeitung um. Nur die drei Frauen zerrissen sich sogleich das Maul wer sie denn war und wie sie überhaupt so dreist sein konnte hier so laut loszulachen.

Das würde nun doch nicht zu ihrem neuen Stammlokal werden, dachte sie sich.

Der junge Mann hatte sie anfangs böse angestiert aber hatte sich dann seufzend von seinem nassen Mantel getrennt und dem Regenschirm einen letzten bösen Blick zugeworfen. Pullover, Hose und Schuhe waren durchnässt und er musste sich sehr unwohl fühlen. Die Verkäuferin war sofort zu ihm gegangen und hatte ihm ein Handtuch gereicht. Es war nicht viel, aber so konnte er sich wenigstens die Haare trocknen. Noch während er dabei war sich im Eingang des Lokals etwas abzutrocknen, blickte er wieder zu ihr und lächelte jetzt entschuldigend.

Sie wusste nicht was sie dazu bewegte, aber sie fand sich Augenblicke später vor ihm wieder. Er wirkte überrascht und versuchte verlegen seine struppigen Haare wieder halbwegs ordentlich aussehen zu lassen, doch sie winkte lächelnd ab.

„Bitte entschuldigen Sie mein Verhalten, es war nur irgendwie gerade witzig wie Sie da so standen. Wie ein begossener Pudel…. Okay, das klingt jetzt, wo ich es laut sage, auch nicht wirklich besser.“

Er lachte.

„Keine Sorge, ich glaube wenn ich mich jetzt hätte sehen können, ich hätte wahrscheinlich noch viel lauter gelacht. Obwohl Sie die Messlatte da schon ziemlich hoch gelegt haben.“

„Okay, das habe ich verdient.“, lächelte sie.

„Als Entschuldigung könnte ich Ihnen anbieten mit mir einen Kaffee zu trinken. Mein Name ist Alexandra.“

Sie hielt ihm verlegen ihre Hand hin. Er erwiderte das Lächeln.

„Unter zwei Bedingungen. Erstens wir duzen uns und zweitens würde ich mit mir reden lassen wenn eine Apfeltasche in der Entschuldigung inclusive wäre. Die sind sagenhaft!“

Seine Augen leuchteten belustigt, als sie ihren Kopf lachend über ihre Unterhaltung schüttelte. Er nahm ihre Hand und wieder prickelten ihre Finger angenehm.

„Das lässt sich arrangieren.“

„Sehr erfreut dich kennenzulernen, Alexandra. Ich bin Sam.“ 

 




Envoyé: 14:15 Mon, 23 November 2015 par: Spedener Florence