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Andjelkovic Sara


Mir wëlle bleiwe wat mer sinn

Ich schreibe in einer Sprache,

die nicht die meine ist.

Ich habe das Alphabet mit ihr gelernt:

A wie Anton nicht wie Andjelkovic

B wie Berta nicht wie Bregovic

und C wie Caesar und nicht wie Ceca.

Meine Muttersprache: Serbisch und

doch liegt mir die Zunge komisch im Munde,

wenn ich den Kasus falsch aussprech‘.

Pricam na jednom jeziku koj mi cudno lezi na mom nepcu

Sie hat einen feurigen Geschmack

der besonders gut geht, wenn ich fluch, Fuck!

Diese Schimpfworte sind von einer besonderen Sorte.

Dabei gibt es viel schönere Sätze, die ich übersetzen möchte.

Die Sonne geht nicht auf, sie explodiert.

Puce zora singend in allen Farben schimmert die Aurora.

 

Meine Zweitsprache, Lëtzebuergesch!

Schmeckt komisch, wenn ich Redewendungen falsch verwende,

Aber auch süß, wenn Schmetterlinge pimpampelnd durch die Gegend fliegen.

Ech hunn dech gäer, wir haben kein Verb fürs lieben,

nicht ganz fair, wenn man beachtet,

dass wir mit den Öffis ‘ne halbe Ewigkeit in Kauf nehmen,

wenn wir uns nacheinander sehnen.

Für diesen Liebesbeweis muss der Wortschatz nichts hergeben.

 

Ja, Ich bin wirklich Luxemburgerin:

 Ich mag zwar keinen Kachkéis,

liebe aber den Bretzelsonnden.

Das macht das vorherige wieder ein bisschen ok.

Und ich kontere immer, wenn jemand die Sprache als Dialekt einstuft.

Umso mehr tut es weh, wenn man mich wegen ein paar kleinen Fehlern verflucht.

Ich hatte es nur ein Jahr in der Schule.

Luxemburg, ändere dein Schulsystem, wenn du nicht willst,

dass deine Kinder, sich wie Stiefschwestern und Brüder fühlen.

 

Mir wëlle bleiwe wat mer sinn,

doch die Oma mit einst blonden Haaren und niederländischen Vorfahren schüttelt den Kopf und wundert sich wie ich, Kind, über das Luxemburger Dasein schreiben kann.

Mir wëlle bleiwe wat mir sinn,

und doch lässt du mich manchmal fühlen, dass ich nicht weiß, wer ich bin.

Mir wëlle bleiwe wat mir sinn,

doch ich denke manchmal, Luxemburg, dass du selbst nicht weißt, wer du bist.

 

Ich bin wirklich Luxemburgerin, doch

Mein Vater ist im Bauch meiner Großmutter von Serbien nach Luxemburg gereist.

Dem kleinen Dejan wurde in der Schule die Schokolade im Adventskalender verweigert,

weil er nicht katholisch war. Seine Augen füllen sich bis heute noch mit Tränen, sein Herz mit Wut.

 

Die junge Danijela, meine Mama, musste mit Mitte zwanzig Französisch, Luxemburgisch und Deutsch in ihrem Kopf verarbeiten, während sie zwei Kinder großzog und von ihrer Familie wegzog. Heute lacht sie mit den Fingern, die auf sie zeigen, wenn sie ihre fünf Sprachen nicht ganz auf die Reihe kriegt und sich dabei für das Gesundheitssystem biegt und bricht. Zu Covids Zeiten hat es Applaus geregnet: Die Dankbarkeit schmeckte bitter, weil sie wie vergessener Kaffee herumstand und dir kalt und ranzig serviert worden ist. Sie ist müde von den Kaffeeentzügen oder vielleicht ist es auch einfach nur die Ausländerfeindlichkeit.

 

Mihailo, Bruder, sie wollen deinen Namen einfach nicht richtig aussprechen. Du unterrichtest und erziehst die Zukunft des Landes und bist immer noch ein dummer Ausländer, der bei den Aufnahmeprüfungen landesweit den zweiten Platz belegte.

Während Schmidt sich ganz hinten in den Reihe bewegte und doch eines Tages das Bildungsministerium leiten sollte.

 

Mein Cousin, den ich liebevoll Vladibär nenn, wäre fast ins technische Gymnasium gelandet, weil Jungs, die Vladimir heißen, Techniker sind oder da sind um Metalle zu schweißen. Dabei will ich diesen Beruf nicht kleinreden. Vielleicht sind wir tatsächlich von zu viele Pädagogen umgeben. Es ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn man einem mit schlechteren Noten den Einstieg ins Klassische ermöglicht und ihm nicht. 

Ja, ich bin Luxemburgerin. Gehöre stolz zu einer Nation, die auf einwandernden Händen getragen wird. Es sind keine Fremden, die die kleine Burg jagen,  also habt keine Angst, wenn sie euch ihre Narben zeigen, Wunden aufreißen, weil die ADR diese Hände rausschmeißen will. Hütet euch, diejenigen zu verspotten, die euch hochhalten. Sie werden sich schon abschotten und dann wird es schwierig sein, sich ohne diese, eure, unsere Hände hochzuziehen.

Ja, ich bin Luxemburgerin, aber gerade weil manche es schlimm finden, bin ich auch Serbin.

An ech, ech wëll bleiwe wat ech sinn.

 


 




Envoyé: 10:17 Tue, 23 January 2024 by : Andjelkovic Sara age : 26