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Dossou Estelle

Warten




Ich hasse es zu warten. Es gibt mir das Gefuehl, auf der Liste der Prioritaeten sehr weit unten zu stehen. Ein graessliches Gefuehl. Wie die Einsamkeit. So kalt. Klar, warten kann schoen sein: zum Nachdenken, zum Abschalten, zum gewollten Alleinsein. Doch Warten kann auch ziemlich - na ja - scheisse sein. Wie soll man sich bloss benehmen? Welchen Ausdruck soll man dem Gesicht verleihen, welche Haltung dem Koerper? Was soll man machen?

Jetzt steh ich hier und warte. Doch auf was genau? Auf den Sonnenuntergang? Auf die Ebbe oder eher die Flut? Warte ich auf meinen Freund? Hab ich ihm ueberhaupt Bescheid gesagt? Siehe da, das warten kann ziemlich nuetzlich sein, um sich ueber banale Gedanken den Kopf zu zerbrechen.

Es ist aber generell laestig, an einer Wand gelehnt zu sein und in die Luft zu starren, waehrend der Fuss unaufhoerlich einen unbekannten Takt tippt. Wir Menschen sind schon faszienerend komische Wesen; wenn wir uns unwohl fuehlen, zuecken wir unser Handy, unsere digitale Schwimmweste, damit wir nicht in der Beklommenheit ertrinken.

Neben mir ein roter Mast, das Wahrzeichen meines Dorfes. Rot aber wieso? Ist es damit er im Kontrast zum blauen Meer steht? Oder weil der Maler vielleicht Lust auf Rot hatte?

Ich fange wieder damit an...mit dem unnoetigen warten. Man versinkt wie  in Trance in ein nichts von Fragen, die man selber nie herausfinden oder gar beantworten kann. Manchmal verspuere ich eine gewisse Angst vor dem warten.

Das Warten hat ein Ende. Ich sehe eine Gestalt. Sie kommt auf mich zu. Ist er es, auf den ich gewartet habe? Ich gehe auf ihn zu. Fuenf Meter. Er sieht komisch aus. Er hat dieselben Gesichtszuege wie die Person, die mich auf unzaehlten Kindheitsbildern in den Armen haelt. Drei Meter. So sehr ich mich bemuehe, ich kann mich nicht an ihn erinnern. Anderthalb Meter. Ich werde skeptisch, seine Augen erscheinen eisig, herzlos, als wuessten sie genau welche entsetzliche Dinge sie ertragen muessten.

Wir stehen uns gegenueber! Er mir. Ich ihm. Seine stahlgrauen Augen fixieren mich wie der Scharfschuetze den gehassten Terroristen. Er oeffnet den Mund : "Tochter." Ich zoegere. Ist er es wirklich auf den ich gewartet habe? "Vater."

 




Envoyé: 07:21 Sat, 19 March 2016 par: Dossou Estelle