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Weber Tom

Mitbewohner




„ ... So oder so haben wir hier allerdings klare Leistungsvorstellungen von unseren Studenten, denen jeder einzelne von ihnen gerecht werden muss. Vor allem für Ihren Jahrgang ist dieses Referat schlichtweg ernüchternd.“
Der Erbsensalat in seinem Mund hatte bereits jeglichen Geschmack verloren, nachdem Mark fast 5 Minuten lang darauf rumgekaut hatte. In dem Tempo würde er die Cafeteria nie verlassen, dabei musste er den nächsten Bus bereits in 10 Minuten erwischen.
„Ich nehme an, dass Sie für Ihre Hausarbeit, etwas fundierter zu Werke gegangen sind. Ich muss sie hoffentlich auch nicht an die Abgabefrist in 1 Woche erinnern, nicht wahr?“
Er brauchte sich nichts weiter vorzumachen; der Appetit war nie dagewesen. Sein apathisches Herumstochern mit der Gabel bekräftigte diese Tatsache. Denn nachdem Professor Dr. Atthik ihn mit dessen Evaluierung vor einer Stunde niederstreckte, hätte jede Mahlzeit auch genauso gut aus der Kläranlage gefischt werden können, er täte sich nicht schwerer daran, einen Bissen runter zubekommen.

Mark Peckitt verbrachte die restlichen Wochen seines Semesters in der Stadt und hatte erst an Heilig Abend vor, zur Familie zurück aufs Land zu fahren. Seit einigen Jahren quetschte er sich irgendwie so durch sein Sprachwissenschafts-Studium. Und Mr. Atthik beglaubigte dies heute anhand dessen Leistungsprädikats. Marks Vortrag über „Vergleichende Manifeste der Linguistik“ zeugte nicht nur von mangelndem Aufwand, sondern spiegelte förmlich das Desinteresse wieder, welches er nicht einmal zu verbergen versuchte. Das Thema lag ihm nicht, der Kurs an sich sprach ihn seit der ersten Stunde nicht an und der Professor gab mit seiner Dachboden-trockenen Haltung dem ganzen Elend den Rest. Letztere verdankte dieser pedantische Erbsenzähler seinem diktatorisch-seriösem Kleidungsstil, der augenscheinlich schon immer an ihm zu haften schien.
Sichtlich genervt ließ er die Gabel auf das Tablett krachen, erhob sich und stellte es auf das Abwasch-Fließband am Ende der Halle ab. Er verließ die Uni-Kantine wieder einmal recht spät, doch konnte er die Bushaltestelle gerade noch zur richtigen Zeit erreichen...so wie immer.

Genau 23 Minuten brauchte er bis zu seiner Wohnung in der benachbarten Gemeinde. Er und zwei weitere Bekannte aus der Region hatten durch Glück ein großes Appartement mit 4 Schlafzimmern abbekommen, von denen sie eines als Aufenthaltsraum nutzten. Die Miete ließ sich problemlos unter den drei aufteilen da der Preis und die Nebenkosten ohnehin außerordentlich günstig ausfielen. Und das trotz der bereits eingebauten Spülmaschine, dem Backofen, der Ceran-Heizplatte und dem renovierten Badezimmer. Auf jeden Fall sprengte es für den Studentenstandard jeglichen Rahmen. Ursprünglich als Touristen-Pension gedacht, erkannte der Vermieter wohl schnell, dass Kurzzeit- oder Austauschstudenten ebenfalls verlässliche Einnahmequellen darstellten. Und ohnehin konnte er locker die wuchernden Wohnpreise nahe der Universität unterlaufen. Mark, ebenso wie seine Mitbewohner Steve und Melissa, zögerten nicht lange und ließen sich dieses Appartement nicht entgehen, da sie zuhause eh schon immer auf öffentliche Transportmittel angewiesen waren. Als sie es sich das erste Mal aber in Real ansahen, waren sie mehr als positiv überrascht. Es würde die Messlatte für spätere Umzüge wohl hoch ansetzen. Als kleinen Bonus ergab sich ebenfalls der Dachboden, den sie zum Trocknen von Wäsche benutzen konnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass aber auch nur einer von ihnen ihre schmutzige Kleidung selbst per Hand reinigte, war genau so gering, wie die Entfernung zum nächsten Waschsalon.

Der Bus schleppte sich mühselig die steile Dorfgasse am Hang eines Hügels hinauf. Doch bereits von weitem konnte Mark Peckitt sein Ziel ausmachen. Ein schwarzes Dach mit eigentümlichen, kleinen Kuppeln, gepaart mit der blutroten Hausfassade, kauerte zwischen einigen Dächern aus der Deckung heraus. Es erinnerte ihn immer wieder an die berühmte Basilius-Kapelle in Moskau. Obwohl letztere doch etwas farbenfroher ausfiel, reichten ihm die Kuppeln, um den Vergleich ziehen zu können. Majestätisch stachen sie aus der umliegenden Häusergruppe hervor, doch wirkten sie keinesfalls pompös oder aufdringlich. Und passenderweise karikierten sie fast schon die russische Herkunft seines Vermieters, Mr. Cherdak. Der alte Pensionierte besaß allerdings neben seinem leichten, osteuropäischen Akzent keine nennenswerten Eigenschaften. Er war ein scheuer Herr mit liebenswertem Opa-Lächeln,  der nie Anstanden machte und sich eh die meiste Zeit in seiner Werkstatt im Keller aufhielt.

Hier musste Mark raus. Draußen empfingen ihn der brausende Lärm des Verkehrs und starker Regen. Vor allem zu dieser Jahreszeit, wenn das Wetter sich wieder von seiner gröbsten Seite zeigte, war er für die nahe Busverbindung direkt vor seiner Haustür dankbar; heftiger Niederschlag, eiskalte Dezember-Winde und die Aussicht darauf, dass es sich nicht bis zu den Weihnachtsferien erholt, machten es vor allem heute äußerst ungemütlich im Freien. Er kämpfte des Weiteren mit dem Reißverschluss an der Innentasche seiner Jacke, um die Schlüssel hervorzubringen. Mit dem kleineren öffnete und überprüfte er den Briefkasten nach, erwartender weise, nichts. Dann kam das übliche Vergleichen der beiden großen. Der mit dem „asymmetrischen“ Schlüsselbart, wie er es nicht anders zu erklären wusste, war für die Tür am Hauseingang. Und natürlich hatte Mark wieder den falschen erwischt; in der früh einbrechenden Dunkelheit der Nachmittagsstunden fiel es ihm manchmal schwer, den richtigen Schlüssel ausfindig zu machen. Also nahm er sich den zweiten vor, steckte ihn ins Schloss und drehte bis das altertümliche Klacken ihm Eintritt gewährte. Als er die Tür aufdrückte, sprangen Mark plötzlich 3 Dinge ins Auge: Die Tür zum Keller, die einen Spalt offen stand und somit einen Lichtfaden durch den Gang zog. Die Tür von Mr. Cherdaks Wohnung, welche sperrangelweit offen stand. Und Mr. Cherdak selbst, der mit Werkzeug unter dem Arm auf der Türschwelle stand und von jenem Lichtfaden gestreift wurde. Alle 3 Bilder passten. Sie gehörten zur Routine, denn Mark begegnete seinem Vermieter jeden Freitagnachmittag auf dieser Ebene. Er grüßte nur kurz um seinen Schritt Richtung Treppe nicht unterbrechen zu müssen. Er musterte Cherdaks  viel zu eng zugezogenen Overall, und das Werkzeug, das er mit sich schleppte, konnte aber nur einen Griff, und die Zacken einer Kreissäge erkennen. Der Rest war in roten Handtüchern eingewickelt. Im zweiten Stock angekommen öffnete Mark seine Jacke um den radikalen Temperaturwechsel auszugleichen. Den Schlüssel bereits in der Hand, ließ er ihn wie im Automatismus genau in die Öffnung gleiten und blickte beim Aufschließen dem Tür-Spion ehrfurchtgebietend entgegen. Die düstere Linse erinnerte ihn immer an ein menschliches Auge. Nur dass dieses hier nie blinzelte. Aber dafür tief ins Innerste der Gedanken einzusehen schien.

Die Tür fiel laut hinter ihm zu. Mit derselben Bewegung, mit der er die Schultasche an die Wand schwang, drehte er auf einem Bein zurück, um den Schlüssel erneut ins Schloss zu schieben. Zwei Pirouetten machte der Schlüssel im Uhrzeigersinn. Dann bemerkte Mark auf einmal, wie still es in der Wohnung war. Als er sich wieder dem Flur zuwandte, musste er einen Augenblick lang inne halten, mit leicht geneigtem Kopf, so als wollte er einem Geräusch nachgehen, welches er aber überhaupt nicht vernommen hatte. Es war...totenstill. Nach einigen weiteren Sekunden stieg ein Druck in ihm auf, und es war ihm als würde er anfangen zu ersticken. Dass er den Atem angehalten hatte, seit er über die Türschwelle trat, fiel ihm erst jetzt auf. Und obwohl das Ausschnaufen intuitiv dieser Erkenntnis Folge leistete, war er sehr darüber verwundert, wie ungewohnt, wie verkrampft er nun versuchte die Luft durch die Nase zu ziehen. Als täte er es zum ersten Mal in seinem Leben. Die Ausdehnung in  seinem Brustkorb fühlte sich unnatürlich an, seine Schulterblätter und Rippen wehrten sich förmlich dagegen, sich der Bewegung anzuschließen. Tatsächlich forderte es ihm sogar etwas Konzentration, sich nicht an seinem zähen Atemrythmus zu verschlucken. Unbekannt war ihm dies nicht. Bei anstehenden Vorträgen oder in den ersten paar Momenten einer Ansprache überkamen ihn ähnliche „Symptome“. Wenn Blicke auf ihn gerichtet wurden...wenn selbst banalste Körperregungen dem wachsamen Seminarleiter zum Opfer fielen, welcher mit gezückten Verurteilungen im Hinterkopf jedem Sprechfehler, jedem kleinen Patzer auflauerte. Genauso wie heute. Genau wie in der Mittagssitzung bei Mr. Atthik.

Auch wenn Mark nie unter Lampenfieber litt und sogar die Theaterbühne nicht scheute...ein wenig Nervosität konnte er sich nie verkneifen. Des Weiteren hat es ihn auch nie länger beschäftigt, wenn auch etwas verwirrt, da er es mit aller Rationalität einfach nicht zu vermeiden wusste...nur passte seine Reaktion nicht in diese Szene hinein. Er betrat lediglich sein Appartement, keinen Hörsaal. Es gab auch keine Kommilitonen oder gar einen Dozenten, die ihn erwarteten, sondern nur seine beiden Mitbewohner. Aber Mitbewohner machen in der Regel auf sich aufmerksam. Man hört ihre Schritte oder Gespräche. Man riecht die vergebens gescheiterten Kochversuche aus der Küche heraus. Ja manchmal begrüßen sie einen sogar noch bevor die Tür überhaupt zuschlägt. Heute allerdings nicht. Lediglich ein muffiger, ekelerregender Geruch ließ ihn die Nase zusammenrümpfen. Und sein unnachahmliches, doch simples „Hallo?“ blieb vereinsamt in der Luft hängen.
„Die wollen mich doch hier jetzt echt verarschen, oder?“ Er griff die Tasche mit einem ordentlichen Ruck und stapfte zielstrebig zur Küche hinüber. Und noch ehe er einen Fuß in den Raum setzte krümmte ein Seufzer seinen Kopf nach oben als er den weißen Fleck auf dem Kühlschrank erkannte. Ein schlecht abgerissenes Stück Papier hing empfangsbereit an etwas Tesafilm, mit einer kleinen Nachricht drauf. Mark ahnte bereits was käme. Wie eine Rezeptionshostesse im Hotel, der man bereits zum x-ten Male Beschwerde über das miese Zimmer einreichen will, grinste das Papier ihm unverschämt von Weitem entgegen.
„Mussten doch noch früher los. Kannst du bitte noch den Müll rausbringen ;) Danke“.
Ein einzelnes Zischen, ein Kopf-Schütteln und hach hinten gerollte Augen vermittelten Offensichtliches. Er schmiss mit leichter Gleichgültigkeit das geknäulte Papier gegen den Kühlschrank.
„Ehrlich jetzt?“
Die Hände auf die Hüften stützend blickte er zu seiner Rechten auf den Boden und fixierte die überfüllten Mülleimer.
„Komisch dass ihr beiden immer dann verschwindet, wenn der Mülleimer zum Bersten voll ist!“ brummte er zu seinen Füßen herab.  
Er konnte sich irgendwie doch noch zurückhalten, aber  als er nochmal kurz zum Badezimmer hin schlenderte, ließ das nächste Omen nicht lange auf sich warten. Das Waschbecken wies eine leicht dunkle Schicht um den Abfluss herum auf.
„Das kann doch echt nicht sein Ernst sein?!“
Jetzt schäumten die Worte förmlich aus ihm heraus. Steve hielt es nach der Rasur wieder einmal nicht für nötig, die Barthaare wegzuwischen.

Mark hasste seine Mitbewohner mittlerweile für dieses Verhalten. Es wurde alles aufgeschoben oder „vergessen“, und ein Dummer konnte den Haushalt dann im Nachhinein alleine schmeißen oder die Sauerei der anderen wegmachen. Dieser Dumme war er wieder einmal. Und das obwohl er sie mehrmals darauf angesprochen hatte und beide ihm gestern noch scheinbar ehrlich versprachen, ihm in Zukunft unter die Arme zu greifen. Nur leider keine Spur von ihnen, was auf den ersten Blick nicht üblich für beide war, dass sie so spontan und ohne Vorwarnung abreisten. Umso dreister wirkte es aber mit jeder Sekunde, die verstrich. Und noch ehe Mark sich auch nur einer Erledigung zuwandte drehte er um, warf die Schuhe gegen die Wand, ließ sich im Wohnzimmer auf seinen Ikea-Sessel absacken und griff ohne Zögern die Fernbedienung und den Controller seiner Spielkonsole...für den Rest des Tages wollte er von nichts und niemandem mehr etwas wissen.

Es vergingen einige Stunden, bis sich endlich der Hunger deutlich machte. Das, und der Gestank der Bio-Tonne. Aber heute roch es unvorstellbar schlimm. Mark pausierte das Spiel und stülpte sich wieder die Schuhe über. Irgendwer musste den Müll ja raustragen. Die hauchdünne Plastiktüte drohte bei jedem Treppenabsatz aufzureißen, so voll  und schwer war sie. Schließlich ging er zur Vordertür hinaus, machte eine Runde um das Gebäude und visierte die Container im Hinterhof an.
„Scheiß auf Recycling!“ fauchte er und warf einfach beide Säcke in einen der 3 metallenen Schlünde.
Er hätte in der Dunkelheit eh die Aufschrift auf den Containern nicht mehr lesen können. Auch das Licht aus Mr. Cherdaks Werkstatt würde nichts bringen, das normalerweise aus dem Milchglas-Fenster nebenan scheinen würde. Vor allem weil es überhaupt nicht eingeschaltet war. Heute arbeitete er wohl nicht in der Werkstatt. Mark wechselte die Richtung und ging an der Straße vorbei.

Daraufhin bemerkte er ein Auto, das dem von Steve erstaunlich ähnelte. Davon abgesehen, dass es auf dessen Parkplatz stand.
„Wie? Sind sie doch noch nicht losgefahren?“ wunderte er sich.
Und noch bevor er das Nummernschild in Augenschein nehmen wollte, fiel ihm plötzlich das Flurlicht auf, das er von unten durch das Fenster seines Appartements ausmachen konnte. Es fiel ihm deshalb auf, weil er sich schon mehrere Minuten außerhalb der Wohnung befand...der eingebaute Timer in der Beleuchtungssteuerung, welcher das Licht automatisch ausschaltete, war aber nur auf 30 Sekunden eingestellt. Etwas perplex über diese Ungereimtheiten beschleunigte er seinen Schritt zurück zur Wohnung. Fast vergaß er den Schlüssel rauszuziehen als er an der Eingangstür oben ankam. Sein Blick erhob sich beim Aufschließen wieder zum Tür-Spion hoch. Zuerst erschrak er, dass das unheimliche Auge jetzt feurig glühte und es ihn wild, wie das eines Raubtieres, erfasste. Dann kam die Erkenntnis, dass es sich um das helle Flurlicht handelte, das durch die Linse schimmerte. Es ging in der Zwischenzeit also immer noch nicht aus. Er presste den Schlüssel nun fester zwischen die Finger und als er nochmal hochsah, blinzelte ihm das Auge entgegen. Mark zuckte zusammen und fast wäre er beim Zurückschreiten die Treppen heruntergestürzt. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken herunter, nachdem er das surreale Bild eines blinzelnden Spion-Auges durch eine noch  unheimlichere Einsicht ersetzte: Irgendwer oder irgendetwas musste auf der anderen Seite der Tür vorbeigehuscht sein und seinen Schatten auf die Linse geworfen haben. Am liebsten wollte er sich das Ganze als Hirngespinst einreden, hätten nicht plötzlich dumpfe Schritte in der Wohnung seine Vorahnung verstärkt.

Mark musste sich fassen und ergriff den Schlüssel erneut.
„Was zum Teufel machen die hier? Ist das etwa so ‘ne Art Scherz?“ unterstellte er Steve und Melissa.
So sehr er sich dieses Szenario auch wünschte, sie wären hier, sie würden das Wochenende mit ihm in der Wohnung verbringen... er konnte sich mit keiner Logik an dieser Theorie festhalten. Viel zu abstrus wirkte das Ganze, es wollte nicht passen. Er riss die Tür auf und keuchte fragend Steves und Melissas Namen raus.
„Seid Ihr etwa zuhause?!“
Wieder keine Antwort. Dafür konnte Mark aber ein lautes Poltern neben sich vernehmen, und als er sich dem Geräusch zukehrte gähnte ein großes Loch in der Decke. Die Dachbodenklappe stand offen und die Leiter hing wie die Zunge einer Bestie zum Boden runter. Mittlerweile erstarrte Mark nicht mehr vor Schreck sondern vor Überforderung angesichts der verwunderlichen Ereignisse in der kurzen Zeit. Zwischen Ärger und Panik schwankend, ging er nervös auf die Leiter zu und ergriff die Halterungen.
„Leute, seid ihr bekloppt...“, stapfte er laut mit den Füßen von einer Sprosse auf die nächste, „...oder habt ihr echt nichts Sinnvolleres zu tun?!“
Er hob jetzt den Ton, und entsprechend seiner gereizten Laune wirbelte er am obersten Absatz zur anderen Seite herum. „Wisst ihr was Ich heute für ’nen beschissenen Tag ha-“

In der dunklen Ecke des Dachbodens stand Mr. Cherdak. und starrte regungslos und mit eiskaltem Blick auf Mark, der wie versteinert auf der Stelle rührte und den Rest des Satzes verschluckte. Drei Dinge kamen Mark jetzt in den Sinn. Erstens dass der eklige Gestank immer noch nicht aus der Wohnung gewichen war. Er war sogar stärker als zuvor. Zweitens erkannte er hinter seinem Vermieter, dessen blutiges Flanellhemd unter dem geöffneten Reißverschluss seines Overalls hervorstach, zwei große transparente Säcke, durch dessen milchiges Plastik sich Konturen von Händen und Gesichtern  abzeichneten. Ein unregelmäßiger, weiß-rötlicher Film glänzte im Schein der Lampe über der fleischig wirkenden Verpackung. Drittens blitzte eine Klinge zitternd neben dem alten Senioren auf. In seiner rechten Hand hielt er eine kleine Axt, die wie der Kopf eines Huhns aufrecht wackelte. Mark erinnerte sich auf einmal daran, wie Melissa ihn und Steve ständig damit aufzog, dass sie mehrere Zeitungsartikel über die Gegend hier ausfindig machte, in denen immer wieder von verschwunden Jugendlichen und ungeklärten Vermissten-Anzeigen berichtet wurde. Doch noch ehe er ihre makaberen Späße ihrer Lächerlichkeit berauben konnte, streckte Mr. Cherdak plötzlich die andere Hand zur Lampe hoch und zog an der Schalterkette.
Dann überfiel Dunkelheit den ganzen Raum.




Envoyé: 14:22 Tue, 1 March 2016 par: Weber Tom