Null

Null 

Zehn. 

Der tanzende Schatten der Kerzen auf dem Tisch. Das Zischen der Teekanne auf dem Herd. Das Knistern des Geschenkpapiers unter dem Baum. Es versteckte sich im Trubel der Weihnachtszeit, wurde mit der Weihnachtsgans auf dem fein gedeckten Tisch serviert und zeigte sich, als sie durch die Fensterscheibe hinaus in die verschneite Nacht sah. 

Neun.  

Sie nahm es wahr und sprach es aus, doch es klang so harmlos für sie. Es schien zusammen mit dem Rauch ihres Atems in der Winterluft zu verwehen.  

Acht. 

Es war noch immer da, als aus dem Weiß wieder Grün wurde. Es war nun lauter, größer, auffälliger, nicht zu übersehen. Mit den Knospen an den Hecken keimte in ihr eine Vorahnung auf und sie wünschte sich ihre kindliche Sorglosigkeit zurück.  

Sieben. 

Als die Tage immer länger wurden, versteckte es sich nicht mehr. Sie trieb Sport, zweimal am Tag. Es zerrte an ihr, ganz offensichtlich. Es spiegelte sich in ihren Tränen und den Gesichtern ihrer Eltern wider. Sie war nicht blind, doch es war stärker. 

Sechs. 

Als die Bäume von einem satten Grün waren, begann sie abzuwiegen und zu verzichten. Es war immer bei ihr, wie ein Teil von ihr. Es folgte ihr in den Schlaf, es stahl sich in ihre Gedanken. 

Fünf. 

Als das Blau am Himmel endlos war, begann sie die klein gedruckten Zahlen auf den Verpackungen zu lesen.  

Vier. 

Als die Sonne auf der Haut kitzelte und die anderen zum Lachen brachte, blieb sie stumm.  

Drei. 

Während sie dahinschmolz wie ein Eis in der Sonne und die Hitze kaum noch auszuhalten war, machte es aus ihr eine Lügnerin. 

Zwei. 

Als die feuchtwarme Luft sich als tosender Gewitterschauer entlud, brach sie ihren Eltern das Herz und ertrank in ihren Schuldgefühlen.  

Eins.  

Als der Dunst über den feuchten Straßen aufstieg, stahl es ihr gänzlich die Lebenslust.  

Null. 

Stand auf dem Etikett am Bund und die Hose rutschte ihr von den Hüften.  


 



news created by Célie Wald: 24.09.2021