Die Salz- und Pfefferfrau

Die Salz- und Pfefferfrau
 

Die Salz- und Pfefferfrau 

fühlte sich zerrissen.

Je mehr sie zerrann,

desto mehr klebte

sie sich selbst mit Speisen zusammen.

Gründlich gewürzt mit Pfeffer und Salz,

Nicht bemerkend, dass ihr Herz 

durch den Kleber zerklumpte.

 

Sie ließ sich zusammenfalten

von den anderen

und wunderte sich, 

warum sie sich 

an manchen Tagen 

so klein fühlte.

 

Sie streute auf alles 

Salz und Pfeffer.

Es verdarb ihr den Appetit.

Alles war fortan zu salzig 

und alles war zu pfeffrig.

Sie war gefangen in einem 

Schwarz-Weiß-Film,

der zudem noch grausig schmeckte.

 

An manchen Tagen sah sie

das Leben als eine Bahn,

aus der sie längst ausgestiegen war.

Das waren die Tage, an denen ihr 

der Pfefferstreuer ausgerutscht war.

 

An diesen manchen Tagen 

brauchte sie eine extra Prise Sicherheit von Menschen,

weil sie sich in der Welt 

und in ihr selbst nicht sicher fühlte.

 

So krallte sie sich fest an der Gefallsucht.

Krallte sich fest am männlichen Blick,

knallte eine dicke Schicht Salz darauf,

sodass es zumindest so aussah

als wäre alles ganz süß.


 

Auch dieser Kleber machte sie nicht glücklich,

aber gab ihr zumindest Halt.

Doch hatte dieser Halt

sie auch nicht davon abgehalten

weiter zu zerfließen.

 

Und als sie am Boden lag

inmitten von Salz- und Pfefferbergen,

mehr Pfeffer als Salz eindeutig,

 – da tat sie etwas Radikales.

 

Sie versuchte nicht mehr

sich zusammenzureißen.

Sie ließ das Herz lange 

sich zerissen fühlen;

gab ihm Zeit.

 

Sie ging durch die Zweifel,

durch die Leere, fühlte sich ausgeliefert,

ließ sich weiterhin an manchen Tagen 

zusammenfalten 

und auseinandernehmen.

Aber sie fing an, sich immer selbst 

wieder aufzubauen.

Und lernte sogar, 

manchmal zurückzupfeffern, 

und sich manche Schuhe erst nicht anzuziehen.

 

Sie ging durch das Leben,

merkte, dass Manche von den anderen

gar nicht so viel anders waren als sie.

Sie vertraute ihnen ihr salzig-pfeffriges 

Geheimnis an, und sie ihr ihres.

Sie hörte auf die kuscheligen Worte

der anderen

und schrieb sie sich mit Edding ins Herz.

 

Sie ging durch die Mitte

und fand sowas wie die berüchtigte 

goldene Farbe in ihr.

Sie fand heraus,

dass in der Mitte

die wahre Lösung 

versteckt war.

Ein Schatz, so viel mehr als schwarz und weiß:

blau, und grün und rot und gelb

in allen Schattierungen und Schichten,

ein Farbenschatz,

der ihr Herz zum Heilen brachte.

 

Es war die Mitte,

es waren die Farben, 

es waren die Verbindungen,

es war das Nichtzuernst-

aber Wichtiggenugnehmen

und Genugsein, 

Das waren die Schlüssel,

um ihr Herz zu heilen.

 

Und auch wenn sie hier und da 

weiterhin Kleber benutze,

und ab und zu eine Handvoll zu viel Salz,

und an manchen Tagen einen Krug zu viel Pfeffer,

so vermochte sie jedes Mal ein

Pünktchen bademantelrot oder mandarinenorange,

kakaobraun oder froschgummibärchengrün 

zu sehen,

welches sie wieder in ihre bunte Mitte zurückführte.



news created by Caroline Ruppert: 13.12.2021